Wer an Banken denkt, der denkt heute wohlmöglich noch an die Frankfurter Skyline mit ihren dutzenden großen Hochhäusern, viele davon zu den großen nationalen und internationalen Bankhäusern gehörend, oder an den Sparkassenberater um die Ecke.


Doch unser Bild von Banken und Zahlungsdienstleistern könnte sich nur allzu bald ändern. Die Player der Zukunft sitzen dann wohlmöglich nicht mehr in Frankfurter Hochhäusern sondern in den Lofts von Hamburger oder Berliner Hinterhöfen, mitten in der Startup-Welt. Denn kaum ein Bereich wird derzeit in der Digitalbranche so stark beachtet wie das Thema „Fintech“, das verkürzt gesagt neue, disruptive Digitalangebote aus der Finanzbranche beschreibt.


„Banking is necessary, banks are not“ (Bill Gates, 1994)

Was Microsoft-Gründer Bill Gates schon vor über 20 Jahren prognostizierte, erschien damals Vielen undenkbar, ist heute jedoch realistischer als je zuvor. Banken, wie wir sie die letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte kannten und kennen, werden in ihrer bisherigen Rolle an Bedeutung verlieren. Schon heute sehen wir immer mehr Digitalangebote, die viele der klassischen Bank-Dienstleistungen auf vollkommen neue Art und Weise abbilden und für den Kunden vereinfachen.

Die Bandbreite von Angeboten ist groß: da gibt es Anbieter, die auf Basis von Daten und Algorithmen automatisch Kredite vergeben, digitale Angebote für die Altersvorsorge, oder junge Startup-Unternehmen, die sich als vollwertigen Bank-Ersatz präsentieren und alle relevanten Dienstleistungen in einer mobilen App anbietet.

Ein zentraler Bereich, der aktuell starke Veränderung erfährt, ist das direkte Bezahlen von Waren und Dienstleistungen. War über die letzten zehn Jahre der zu ebay gehörende Zahldienst Paypal, mit dem Einkäufe im Internet bezahlt wurden, noch die größte digitale Veränderung, erfährt dieses Feld immer größere Dynamik.
So steigen immer mehr und neue Anbieter in das Feld des Bezahlens im Internet ein. Neben Paypal und seinen direkten Wettbewerbern erlaubt auch Google heute in einigen Ländern das Bezahlen von Dienstleistungen oder das Überweisen von Geldbeträgen mit nur einer eMail. Und auch Facebook hat bereits mehrfach den direkten Kauf von Waren auf der Plattform inklusive integrierter Bezahlfunktion getestet, dieses Feature gleichwohl noch nicht global ausgerollt.

Das Handy als Ersatz für die Geldbörse?

Ist das bargeldlose, rein digitale Zahlen im Internet schon seit einigen Jahren im Wachstum, erreicht es nun immer mehr auch den stationären Handel.
Das Handy – vermutlich der Gegenstand, den wir neben dem Haustürschlüssel am konsequentesten bei uns tragen – wird zur mobilen Geldbörse und ermöglicht das bargeldlose Zahlen mit nur einem Klick auf dem Smartphone. Anstatt diverser Karten mit jeweils einer eigenen PIN oder dem platzraubenden Kleingeld für Parktickets oder Busfahrkarten benötigen wir künftig nur noch das Handy für den Zahlungsvorgang.
Branchenprimus Paypal bietet hier bereits Lösungen für an, auch Apple (mit Apple Pay) und Google bieten insbesondere auf der NFC-Technologie basierende Lösungen an.

Parallel dazu haben auch viele der großen Telekommunikationsanbieter ebenso eigene Wallet-Lösungen im Angebot. Bei der NFC Technologie („Near Field Communication“) handelt es sich um eine drahtlose Übertragungstechnik im Nahbereich. Ist diese Technologie zwar in Ihrem Kern bereits 15 Jahre alt, so erfährt sie mit dem kontaktlosen Bezahlen heute einen ihrer stärksten und größten kommerziellen Anwendungsfälle. Zur sicheren Authentifizierung wird das Handy mit einem NFC-Chip ausgestattet. Um bargeldlos bezahlen zu können, muss das mit dem NFC-Chip ausgerüstete Handy nur in die unmittelbare Nähe eines Lesegerätes gehalten werden. Mit einem Tastendruck wird der Zahlungsvorgang bestätigt und abgeschlossen. Zusätzlich zur Anwendung in Smartphones sind mittlerweile auch eine Reihe auf NFC-Technologie basierender Kreditkarten verfügbar

Dass dieser Markt gleichermaßen komplex wie auch wettbewerbsintensiv ist, zeigen nicht nur die Anzahl der Anbieter sondern auch die Tatsache, dass mit hohen Ambitionen gestartete Anbieter nach nur wenigen Jahren den Markt bereits wieder verlassen haben.

Neue Authentifizierungs-Mechanismen führen die Kreditkarte ins digitale Zeitalter

Neben diesen befinden sich eine Reihe weiterer Dienste und Mechanismen in der Entwicklung. Insbesondere neue Authentifizierungs-Mechanismen stehen in den Startlöchern, bei denen Nutzer beispielsweise über ein Foto („Selfie-Identifizierung“), Iris-Scanner oder Fingerabdruck eine Transaktion genehmigen und so für noch höhere Sicherheit sorgen sollen. In der FIDO Alliance versammeln sich eine Reihe von Finanz- und Technologie-Unternehmen wie beispielsweise MasterCard oder Google, deren Ziel es ist, hier entsprechende technische Standards zu etablieren.
Die Hoffnung ist es, über solche biometrischen Identifizierungsverfahren einen noch höheren, ausgereifteren Sicherheitsstandard zu etablieren als es mit den bisherigen Verfahren der Fall ist, da die entsprechenden Körperteile kaum kopiert und de facto nicht verlegt oder entwendet werden können.

Deutschland in Sachen mPayment noch Entwicklungsland

Denn bei allen technischen Herausforderungen dürften insbesondere in Deutschland vor allem auch Sicherheitsbedenken der Nutzer das Wachstum von mPayment verlangsamen. In kaum einem westlichen Land hat Bargeld eine so hohe Bedeutung wie in Deutschland und für einen Markterfolg dieser neuen Bezahlangebote wird es neben einfach nutzbaren Angeboten insbesondere auch eine breite Kommunikation in der Öffentlichkeit benötigen, um über die Sicherheit und Vorteile dieser Lösungen zu informieren. Gleichermaßen steigt die Komplexität für verkaufende Unternehmen, die sich auf eine weiter ausdifferenzierte Zahlungswelt einstellen und entsprechende Services und eine dazugehörige Infrastruktur vorhalten müssen.

Über den Autor:
Thomas Müller ist Geschäftsführer der SOLCOM GmbH, einem der führenden branchenübergreifenden Technologiedienstleister in den Bereichen Informationstechnologie und Engineering. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet SOLCOM als Partner global agierender Spitzenunternehmen. Aus dieser Erfahrung heraus schreibt er über Trends und technische Neuerungen im Bereich der IT und der Digitalisierung.

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