Intelligente Netze, Elektromobilität, Erneuerbare Energien, komplexe Vernetzung, smarte Steuerung – diese und ähnliche Schlagworte fallen immer wieder, wenn es um den Städtebau der Zukunft geht. Interessante Ansätze in allen diesen Bereichen können wir auch in Deutschland an vielen Orten beobachten. So sind beispielsweise in vielen Modellregionen schon heute sogenannte Smartmeter im Einsatz. Diese intelligenten Stromzähler geben dem Verbraucher einen besseren Überblick über den eigenen Stromverbrauch und bieten Möglichkeiten der Optimierung. Doch ihr volles Potential entfalten solche und ähnliche Ansätze erst, wenn sie sinnvoll miteinander kombiniert werden. Wie dies aussehen kann, zeigt der deutsche Energieversorger E.ON in der schwedischen Stadt Malmö.


Der Stadtteil Hyllie

Dort entwickelt das Unternehmen gemeinsam mit der Stadt Malmö und dem lokalen Versorger VA SYD den Stadtteil Hyllie. Dieser liegt direkt am Meer unmittelbar gegenüber von Kopenhagen. Bis zum Jahr 2001 befand sich dort lediglich eine große brachliegende Fläche. Seitdem wurde das Viertel aber als Modell für eine nachhaltige Stadtentwicklung ausgebaut. Auf den ersten Blick wird dies allerdings nur bedingt deutlich: Wenn man die eigens gebaute Bahnstation verlässt, sieht der Stadtteil zunächst aus wie viele andere auch. Nur der Baulärm macht einen darauf aufmerksam, dass die Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist. Bei genauerem hin sehen, entdeckt man dann aber erste interessante Details: So beispielsweise die „Giraffe“ genannten Ladestationen für Elektroautos, die ihre Energie aus Wind und Sonne gewinnen.


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Die Vision 2030 in Malmö

Dass ein solches Vorzeigeprojekt ausgerechnet in Malmö realisiert wird, ist kein Zufall. Denn die Stadt hat sich für die Zukunft extrem ambitionierte Klimaziele gesetzt. Um die klimafreundlichste Stadt des Landes zu werden, wurden unter anderem die folgenden Zielmarken festgelegt:

  1. Bereits ab dem Jahr 2020 soll die Stadtverwaltung komplett klimaneutral arbeiten.
  2. Bis zum selben Datum soll zudem der Energieverbrauch pro Einwohner um 20 Prozent sinken.
  3. Zwischen 2020 und 2030 ist eine weitere Reduzierung um 20 Prozent geplant.
  4. Ab dem Jahr 2030 soll die komplette Stadt ausschließlich mit Erneuerbaren Energien versorgt werden.

Malmö geht damit deutlich über die Zielsetzung der Zentralregierung hinaus. Das schwedische Parlament hatte kürzlich beschlossen, ab dem Jahr 2045 sämtliche Klimaemissionen zu vermeiden oder auszugleichen. In Hyllie werden nun verschiedene Ansätze erprobt, die dann zunächst im Rest von Malmö und später auch einmal im ganzen Land eingesetzt werden können.

Dezentrale und nachhaltige Energieversorgung

Ein Blick aus dem Hotelzimmer gibt dann einen ersten Hinweis darauf, wie die Ziele im Bereich der Erneuerbaren Energien erreicht werden sollen: Die umliegenden Dächer sind nicht nur begrünt, sondern auch mit Solaranlagen bestückt. Vorgabe der Stadtplaner ist es, dass in jedem Haus in Hyllie Solarstrom produziert wird. Diese Form der sauberen Energieerzeugung wird zudem ergänzt durch Windkraftanlagen vor der Küste und ein intelligentes Abfall- und Abwassermanagement, das ebenfalls zur Energieversorgung beiträgt. Selbst in Hyllie ist man aber noch nicht am Ziel im Bereich der Erneuerbaren Energien: Aktuell wird rund die Hälfte der verbrauchten Elektrizität aus nachhaltigen Quellen gewonnen. Erst im Jahr 2020 ist eine komplett nachhaltige Versorgung geplant.

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien wird aber auch in Deutschland an vielen Orten vorangetrieben. Das Besondere an dem Projekt in Hyllie findet sich daher in zwei anderen Punkten:

  1. Dem Aufbau eines intelligenten Stromnetzes („smart grid“).
  2. Der Vernetzung von Elektrizität, Wasser, Wärme und Kälte.

Smart Grid: Die Energie intelligent managen

Die Stromnetze in Hyllie sind mit zahlreichen Sensoren ausgestattet und ermitteln so eine Vielzahl an Datenpunkten. Grob gesagt, ist so immer bekannt, wo gerade Energie produziert wird und im Überfluss vorhanden ist – und wo sie benötigt wird. Die schiere Datenmenge sorgt aber dafür, dass menschliche Mitarbeiter bei der Auswertung nur bedingt genutzt werden können. Ein Großteil der Arbeit wird daher von Algorithmen erledigt, die Muster und Zusammenhänge erkennen und daraus dann bestimmte Handlungen ableiten. Diese smarten Stromnetze bringen eine Reihe an Vorteilen mit sich:

  1. Es können mögliche Überlastungen und Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt und behoben werden. Dies erhöht die Netzsicherheit und reduziert die Kosten für Reparaturarbeiten.
  2. Die Belastung für die Infrastruktur wird verringert. Die Kosten für die Instandhaltung des Netzes sinken daher.
  3. Es können mehr nachhaltige, aber in ihrer Produktion schwankende, Formen der Energieversorgung integriert werden.
  4. Die Netzbelastung kann besser prognostiziert und gemanagt werden. Bei Neu- und Ausbauten kann daher die Sicherheitsmarge geringer ausfallen – was die Kosten senkt.

Aber auch der Endverbraucher kann in Hyllie bereits von den Möglichkeiten der intelligenten Netzsteuerung profitieren. Die Wohnungen sind mit Smartmetern ausgestattet und der Stromtarif wird jeweils an die aktuelle Verfügbarkeit angepasst. Konkret heißt das: Wird gerade viel Strom erzeugt, aber nur wenig verbraucht, sinken die Preise. Umgekehrt gilt natürlich dasselbe. Die Bewohner können so beispielsweise die Waschmaschine immer dann anstellen, wenn der Strom gerade günstig ist.

An diesem Punkt allerdings bekommt es die Technologie mit einem mächtigen Gegner zu tun: Dem Faktor Mensch. Denn ein nicht unerheblicher Teil der Einwohner macht von den Vorteilen der intelligenten Stromzähler gar keinen Gebrauch. Die hat zum einen technische Gründe. So funktioniert die Darstellung und Steuerung beispielsweise nicht auf allen Endgeräten. Vor allem aber sind die möglichen Ersparnisse im Vergleich zu den Mietkosten vermutlich schlicht zu niedrig. Hier werden sich die Projektpartner eine Lösung einfallen lassen müssen.

Gesamtheitlich denken: Strom und Wärme kombinieren

Die Idee hinter Hyllie ist aber nicht nur den Strom nachhaltig zu produzieren und intelligent zu verteilen. Vielmehr soll auch die Strom- und Wärmeversorgung miteinander kombiniert werden. Denn letztlich handelt es sich ja nur um unterschiedliche Formen von Energie, die sich aber gegenseitig ergänzen können. So wurden in dem Stadtteil die Wärmeversorgung, die Kühlung und das Stromnetz miteinander vernetzt. Konkret verdeutlichen lässt sich dieser Ansatz anhand eines Beispiels: So werden trotz des intelligenten Netzmanagements natürlich auch in Hyllie Energiespeicher benötigt. Durch Experimente hat man dort nun herausgefunden, dass Gebäude als extrem effiziente Wärmespeicher dienen können – und so die Schwankungen des Stromnetzes egalisieren können. Ein anderes Beispiel ist die entstehende Abwärme, die so oft wie möglich zur Energiegewinnung genutzt werden kann.

Das Thema Mobilität: Fahrräder, Elektroautos und der öffentliche Nahverkehr

Am einfachsten gelangt man nach Hyllie mit der Bahn. Diese wird durch Strom angetrieben und verursacht so während der Fahrt keine Emissionen oder Abgase. Dies soll im Idealfall auch für Fahrten innerhalb des Stadtteils gelten. Wie überall in Malmö ist daher die Infrastruktur für Radfahrer sehr gut ausgebaut. So gibt es Radwege und Fahrradparkhäuser. Um den Verbrennungsmotor langfristig aus dem Viertel zu vertreiben, wird zudem stark auf das Thema Elektromobilität gesetzt. Wie bereits erwähnt, gibt es öffentliche Ladepunkte, an denen auch vor Ort Ökostrom erzeugt und gespeichert wird. Die Projektpartner räumen aber offen ein, dass im Bereich der nachhaltigen und klimaneutralen Mobilität noch am meisten Arbeit zu erledigen ist.

Helfen könnte in diesem Punkt eine Kooperation zwischen E.ON und dem Autobauer Nissan. Dabei sollen sogenannte „vehicle to grid“-Ansätze ausprobiert werden – also beispielsweise die Möglichkeit, Elektroautos als Energiespeicher zu nutzen und so die Schwankungen im Stromnetz auszugleichen. Auch hier dürfte Hyllie wieder als Experimentierfeld genutzt werden. Deshalb ist das Projekt für die beteiligten Partner so wichtig: In Hyllie können neue Ideen schnell und unkompliziert umgesetzt und unter realen Bedingungen getestet werden. Nicht alles erweist sich in der Praxis als erfolgreich, aber auch das ist ein wichtiger Lerneffekt.

Die Situation in Deutschland ist eher schwierig

Bleibt die Frage zu klären, warum ein deutscher Energieversorger ein solches Projekt in Schweden realisiert und nicht in der Heimat. Die Gründe dafür hat uns E.ON Vorstand Leonard Birnbaum bereits bei der Ankunft in Hyllie erläuert. Sie sind vielfältig und beginnen bei der Unterstützung durch die Stadt Malmö und gehen bis hin zur hierzulande sehr starken Fokussierung auf den Elektrizitätssektor. Auch der Trial-and-Error-Ansatz ist in Deutschland nicht so weit verbreitet. Außerdem muss innerhalb einer Stadt eine geeignete Fläche zur Verfügung stehen, die komplett neu bebaut werden kann. Inzwischen allerdings hat das Projekt in Hyllie eine gewisse Strahlkraft entwickelt und es wird auch in Deutschland an entsprechenden Modellprojekten gearbeitet. So soll das Werksviertel in München in Zukunft viele der Ansätze aus Malmö auch in Deutschland zur Anwendung bringen.

[Der Besuch in Hyllie wurde von E.ON finanziert und organisiert. Die inhaltliche Aufarbeitung erfolgte durch Trendsderzukunft.]

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