Risse in Metall galten bisher als endgültig. Forscher:innen gelang nun aber eine verblüffende Entdeckung: Erstmals konnten sie beobachten, wie Mikrorisse in Platin und anderen Metallen von selbst geheilt wurden. Verantwortlich ist eine Kombination aus lokaler Belastung und beweglichen Korngrenzen, die vorhandene Mikrorisse wieder verkleben kann. Wenn dieser Effekt auch im Alltag auftritt, könnte dies die Entwicklung selbstheilender Metallbauteile eröffnen.


Mikrorisse in Metall

Metalle, die längere Zeit einer wiederkehrenden oder auch andauernden Belastung ausgesetzt sind, entwickeln Mikrorisse. Diese winzigen Risse im Material breiten sich zunächst unbemerkt aus, bis sie schließlich zu Materialermüdung und letztlich zum Bruch des Bauteils führen. Daher existieren etwa bereits Kunststoffe, die mit Strukturen versehen sind, die die Rissbildung verhindern und die Defekte teilweise sogar selbst heilen können. Bei Metallen war dies bisher nicht möglich.


Bei metallurgischen Verfahren für den Ermüdungsschutz werden meist Mikrostrukturen entwickelt, die das Fortschreiten von Rissen stoppen oder verlangsamen sollen. Aber wenn im Metall einmal Riss entstanden ist, galt das bisher als irreversibel„, erklärt Christopher Barr, der mit seinem Team Mikrorisse in Metall untersuchte.

Dies erklärt auch die Überraschung der Forscher:innen, als sie die Selbstheilung von Risen in einem Metall beobachten konnten. Eigentlich wollten sie ein Experiment durchführen, bei dem eine neue elektronenmikroskopische Materialprüfungsmethode getestet werden sollte. Zu diesem Zweck spannten sie eine Platinfolie mit einer Dicke von 40 Nanometer in eine Vorrichtung ein, mit der sie das Metall 200 mal pro Minute dehnen konnten. Alle 40.000 Zyklen prüften sie, ob Mikrorisse entstanden sind und wie diese sich entwickelten.

Wie zu erwarten war, bildeten sich im Metall der Folie mit der Zeit nanometerfeine Risse, die sich ausbreiteten. Nach 40 Minuten beobachteten die Forscher:inne jedoch zu ihrer Überraschung, dass einige der Risse aufhörten zu wachsen und sogar teilweise begannen, wieder zusammenzuwachsen. Dieses Phänomen ließ sich durch weitere Beobachtungen bestätigen. „Bei einigen Mikrorissen konnten die Forscher:innen eine Art Selbstheilung beobachten. Die Risse verkürzten sich messbar. Nach weiteren 116.000 Belastungszyklen begann der Restriss zudem in eine neue Richtung zu wachsen, was dafür spricht, dass der frühere Rissteil tatsächlich wieder geheilt war„m so die Forscher:innen. Der Heilungsprozess fand dabei während der Dehnungsbelastung statt.

Dies belegt, dass Ermüdungsrisse in reinen Metallen zur intrinsischen Selbstheilung fähig sind. Eine solche Selbstheilung im Nanomaßstab ist für reine Metalle erstaunlich„, so das Team weiter.

Funktioniert das auch im Alltag?

Für diese Rissheilung sind zwei Voraussetzungen nötig: So muss die Rissspitze auf eine sogenannte „Triple-Junction“ treffen. Dabei handelt es sich um ein Zusammentreffen drer Korngrenzen. Außerdem sind lokale Spannungsfelder nötig, die zu einer unregelmäßigen Belastungsverteilung führen, was zu einer Verlagerung der Korngrenzen führt. Der Prozess ähnelt dem des Kaltschweißens.

Das Kaltschweißen, der Prozess bei dem pure Metalle sich allein durch Druck miteinander verbinden, ist schon seit längerem bekannt. Aber wir zeigen nun, dass dies auch an der Spitze eines Ermüdungsrisses geschieht – und sogar dann, wenn er unter Dehnungsbelastung steht„, so die Forscher:innen weiter.

Das Team geht davon aus, mit den Erkenntnissen ein neues Licht auf Vorgänge bei der Materialermüdung zu ermöglichen. „Die Prämisse, dass Ermüdungsrisse in Metallen durch lokale Interaktion der Mikrostruktur autonom heilen können, widerspricht fundamentalen Theorien des Materialdesigns„, heißt es.

Allerdings müsste die Selbstheilung der Metalle auch unter Alltagsbedingungen funktionieren. „Wir haben dies in nanokristallinen Metallen und im Vakuum nachgewiesen“, sagt Boyce. „Noch wissen wir nicht, ob es auch bei normalen Metallen an der Luft ausgelöst werden kann. Das muss nun weiter erforscht werden„, erklären die Forscher:innen.

via Sandia Labs

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