Vier Jahre ist es her, dass der Quantencomputer „Sycamore“ die sogenannte Quanten-Überlegenheit demonstriert. Bei einem sehr speziellen Problem übertraf er einen Supercomputer. Allerdings müssen Quantencomputer in der Lage sein, Berechnungen verlässlich durchführen zu können, um auch breit einsetzbar zu sein. Forscher:innen gelang nun ein wichtiger Schritt, um dies wahr zu machen: Mit Hilfe eines neuen Verfahrens könnten Quantencomputer auch ohne Fehlerkorrektur praktisch nutzbare Ergebnisse liefern. Denn mit der neuen Methode kann Störrauschen umgangen werden.


Bild: IBM

Quantencomputer: Fehler kommen vor

Quantenbits sind extrem fehleranfällig. Bereits kleine Störungen können sie aus ihrer Verschränkung und Überlagerung reißen. Je mehr Qubits in einem Quantencomputer eingesetzt werden, desto höher ist auch die Fehlerraten. Dies kann nur mit effizienten Fehlerkorrektursystemen behoben werden. In sogenannten fehlertoleranten Quantenprozessoren wird durch zusätzliche „Wächter-Qubits“ das Auftreten von Fehlern angezeigt. So können betroffene Quantengatter vom Ergebnis ausgeschlossen werden.

Nach gängiger Erwartung werden selbst simple, klassische Rechner übertreffende Quantenschaltkreise jedoch erst dann einsetzbar sein, wenn fortgeschrittenere, fehlertolerante Quantenprozessoren entwickelt wurden„, so Youngseok Kim von IBM Quantum. Allerdings könnte es noch bis zu zehn Jahre dauern, bis diese Technologien auch bei großen Quantencomputern zum Einsatz kommen.


Forscher:innen rechnen Fehlerquelle raus

Kim und sein Team haben nun allerdings eine Methode vorgestellt, mit deren Hilfe Quantencomputer auch ohne perfekte Fehlerkorrektur praktisch nutzbar werden könnten. Dabei wird die Fehlerquelle Störrauschen in ihrem System durch gezielte Verstärkung und Analyse vorhersagbar, sodass die verursachten Störeffekte im Nachhinein herausgerechnet werden kann.

Die Forscher:innen tauften ihre Methode auf den Namen Zero Noise Extrapolation (ZNE) und demonstrierten sie mit dem 127-Qubit-System „Quantum Eagle“ von IBM. Sie entwickelten ein Modell, das das Störrauschen für jedes einzelne Qubit rekonstruieren konnte. „Je präziser das Störrauschen dafür verstärkt wird, desto geringer sind die resultierenden Verzerrungen im Modell„, erklären die Forscher:innen.

System im Praxistest

Das System wurde dann gegen einen leistungsfähigen US-Supercomputer auf die Probe gestellt. Dabei kam ein Problem aus der Festkörperphysik zum Einsatz: Die Computer sollten die Verteilung von Teilchen und Feldern in einem magnetisierten 2D-Material berechnen. Die Aufgabe wurde dabei fortschreitend komplexer gemacht.

Gegen den Quantenrechner von IBM trag ein Team der University of California in Berkeley an. Dieses hat sich auf die Entwicklung von Supercomputer-Algorithmen spezialisiert. „Vor dem Test war ich ziemlich sicher, dass die klassische Methode besser abschneiden würde als der Quantenrechner„, so Michael Zaletel von der UC Berkeley.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Besser als Supercomputer?

In den Tests zeigte sich aber, dass Quanten- und Supercomputer in den ersten Phasen übereinstimmende Ergebnisse lieferten: Die Zero Noise Extrapolation funktionierte also. „Der Grad der Übereinstimmung bei so komplexen Problemen war selbst für mich überraschend„, so Andrew Eddings von IBM Quantum. Bei steigender Komplexität begannen die Berechnungen der Computer dann voneinander abzuweichen.

Welcher Computer dabei richtig lag, lässt sich bei so komplexen Berechnungen nicht mehr einfach so ermitteln. Die Teams nutzten dabei eine Art Stichprobentechnik und berechneten für bestimmte Parameter jeweils die korrekten Werte und verglichen sie dann mit den Ergebnissen der Rechner. Dabei stellte sie heraus, dass die Supercomputer falsch lagen, währen die Resultate von Quantum Eagles mit der Stichprobe übereinstimmten.

Auch wenn wir nicht mit letzter Sicherheit beweisen können, dass die Ergebnisse völlig korrekt sind, ist dies angesichts des Erfolgs von Quantum Eagle in den vorhergehenden Durchläufen des Experiments sehr wahrscheinlich„, so das IBM-Team.

Die Forscher:innen gehen davon aus, dass das Experiment zeigt, dass Quantencomputer auch ohne Fehlerkorrektur praktisch anwendbare und richtige Ergebnisse liefern können. Es sei also sinnvoll, derartige Technologien zur Limitierung des Störrauschens weiterzuverfolgen. „Das schlussfolgern wir aus der Beobachtung, dass ein verrauschter Quantenprozessor mit mehr als 100 Qubits und einer nicht-trivialen Schaltkreistiefe verlässliche, der Erwartung entsprechende Werte liefert„, so das IBM-Team.

Zwar bedeute das nicht, dass Quantencomputer nun keine Fehlerkorrektur mehr brauchen. Allerdings ermöglicht die Technologie der Forscher:innen, Quantenrechner auch vor der Entwicklung von fehlertoleranten System praktisch zum Einsatz zu bringen. „Wir können jetzt damit beginnen, Quantencomputer als Werkzeug zu sehen, mit dem wir anderweitig schwer knackbare Probleme angehen können„, so Sarah Sheldon von IBM, eine Koautorin der Studie.

via UC Berkeley

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.