Von idiomatischen Schmerzen sprechen Mediziner, wenn es für sie keinen direkt erkennbaren Auslöser gibt. Diese Art von Schmerzen sind für Betroffene oft sehr belastend, weil die Unkenntnis des Auslösers mit der Erkenntnis dahergeht, dass es konkret nichts gibt, was man gegen die Schmerzen tun kann. An der New York University Grossman School of Medicine haben Forscher nun ein computergestütztes Implantat-Duo entwickelt, das im Gehirn schmerzen erfassen kann, die keinen direkten Auslöser haben – und diese auch direkt lindern.


Bild: NYU Grossman School of Medicine

Forscher unterdrücken Schmerz im Gehirn

Die Schmerzmediziner der New York University entwickelten eine Art Brain-Machine-Interface (BMI), das mit einem geschlossenen Regelkreis Schmerz im Gehirn aufspürt und bekämpft.

Dabei orientierten die Forscher sich an der Arbeitsweise des Gehirns: Ein Teil der Implantate identifiziert elektrische Aktivität in einer bestimmten Hirnregion. Diese Informationen werden dann von einer Schaltstelle verarbeitet, die im Anschluss einen anderen Teil des Gehirns stimuliert. Für das Implantat wird ein Array von Elektroden in den anterioren cingulären Cortex (ACC), einem Teil der Großhirnrinde, eingesetzt. Dieses Array bestimmt dort bestimmte elektrische Muster, die mit der Empfindung von Schmerz verbunden sind. Ein implantierter Chip übernimmt dann die Aufgabe der Schaltstelle. In ihm werden die Signale ausgewertet und Reaktionen festgelegt. Wenn der Chip Schmerz erkennt, aktiviert er eine künstliche Stimulierung des prälimbischen präfrontalen Cortex (PFC). Dies dämpft den Schmerz. Der ganze Vorgang läuft derart schnell ab, dass die Mediziner von einem Echtzeit-Effekt sprechen. In Zukunft soll mit solchen Systemen chronische Schmerzpatienten geholfen werden, die gegenüber normalen Schmerzmedikamenten bereits eine Unempfindlichkeit entwickelt haben. Bisher steht die Technologie in ihrer Entwicklung allerdings recht weit am Anfang und wurde bisher nur an Nagetieren getestet.


Unsere Ergebnisse zeigen, dass dies eine effektive Strategie für die Schmerztherapie bietet, selbst in Fällen, in denen die Symptome traditionell schwer zu lokalisieren oder zu handhaben sind„, so Jing Wang von der der New York University Grossman School of Medicine.

Schmerz ist im Gehirn ist im Gegensatz zu Vorgängen wie motorischen Bewegungen nur schwer zu lokalisieren. Um dieses Problem zu lösen, haben die Forscher die Elektrodenanordnung im AAC implantiert und diverse Experimente durchgeführt. Die nächste Herausforderungen war es, eine entsprechende Reaktion zu entwickeln, die direkt im Gehirn wirkt. Das Konzept selber ist nicht neu und wird etwa bei modernen Handprothesen angewendet, bei denen Sensoren Druck- oder Temperaturempfindungen an die noch verbleibenden Nerven übertragen. Das Gehirn interpretiert die Signale dann und sendet Befehle zurück, mit denen die Hand bedient wird. Experten sprechen in solchen Fällen von einem Closed-Loop-System.

Noch ein langer Weg bis zum praktischen Einsatz

Bei der Wahl des Ausgangsbereich für die Schmerzbehandlung entschieden sich die Forscher dann für den ACC, in dem sie sogenannte PFC-Neuronen stimulieren, um Schmerzsignale zu lindern. Dabei kommt eine optische Faser zum Einsatz, mit der die Neuronen stimuliert werden. Das gesamte System stellt so eine Art Echtzeit-Rückkopplungsschleife dar, die den Schmerz unterdrücken kann, sobald er auftaucht.

In ersten Tests mit Nagetieren konnte eine Linderung des Schmerzes um 40 Prozent gezeigt werden. Auch mechanische und chronische Schmerzen, wie sie etwa bei Entzündungen oder Arthritis auftreten können, konnten mit den Implantaten gelindert werden. Auch neuropathische Schmerzen, die von überempfindlichen Nerven stammen, konnten so gelindert werden.

Bis zu einem Einsatz des Systems bei Menschen wird es aber noch ein wenig dauern. Eingriffe in die Erregungsweiterleitung im Gehirn müssen aufgrund ihrer potentiellen Folgen extrem gut untersucht werden. Hinzu kommt, dass der ACC allerlei Empfindungen verarbeitet und im Gehirn gut vernetzt ist. Es sind also noch ausführliche Studien nötig, die sich mit den Risiken der Methode beschäftigen.

via NYU Langone

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