Eine Corona-Infektion kann ganz unterschiedliche Auswirkungen haben. Manche kommen relativ entspannt hindurch, andere haben mit den Folgen der Infektion noch Monate oder sogar auf unbestimmte Zeit zu kämpfen. Ein Team rund um Yan Xie von der Washington University in Saint Louis fand nun heraus, dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 auch psychische Erkrankungen nach sich ziehen kann. Das gilt auch für milde Verläufe.


Psychische Erkrankungen bei Corona-Patienten

Die Folgen des Coronavirus sind weltweit spürbar. Neben der rein körperlichen Erkrankung hat sich eine schleichende Pandemie seelischer und psychischer Erkrankungen verbreitet. Dabei spielten vor allem Faktoren wie der Stress der Lockdowns, die Isolation sowie Angst vor Corona-Infektionen eine Rolle. Das Virus, so wissen wir heute, greift bei einigen Patienten auch das Gehirn und die Nerven an. Bei Long-Covid-Patienten treten außerdem häufig neurologische Ausfallerscheinungen und Gedächtnisstörungen auf.


Die Studie des Teams rund um Yan Xie zeigt nun, dass eine Corona-Infektion auch psychische Langzeitfolgen nach sich ziehen kann. Für ihre Untersuchung werteten die ForscherInnen die Gesundheitsdaten von 153.848 Menschen aus den USA aus, die alle zwischen März 2020 und Januar 2021 positiv auf das Virus getestet wurden und zumindest einen milden Verlauf durchlebten. Aber auch ehemalige Patienten mit schweren Verläufen waren unter den Probanden. Als Kontrollgruppe fungierten 5,6 Millionen Menschen ohne positiven Test.

Das Team ging der Frage nach, ob bei den Probanden innerhalb von 12 Monaten nach der Infektion eine psychische Erkrankung oder Störung diagnostiziert wurde. Unter anderem bezogen die WissenschaftlerInnen Angserkrankungen, Panikattacken, posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen und neorokognitive Störungen in die Untersuchung ein. Aber auch Schlafstörungen oder Probleme mit Drogen wurden erfasst.

Erheblich höheres Risiko

Bei der Untersuchung kam heraus, dass psychische Leiden in der Gruppe derjenigen, die eine Infektion durchgemacht hatten, innerhalb der ersten 12 Monate nach dem Ende dieser 60 Prozent häufiger auftraten als innerhalb der Kontrollgruppe. Unter 1000 Menschen, die eine Corona-Infektion durchlebten, wurden im Schnitt 64 Menschen mehr mit einer Depression, mit Ängsten, einer Sucht oder mit neurologischen Ausfällen diagnostiziert als unter 1000 Menschen aus der Kontrollgruppe. Das galt für Patienten mit schwerem und mildem Infektionsverlauf.

Um dies ins Verhältnis zu setzen: Weltweit könnten Corona-Infektionen damit für mehr als 14,8 Millionen neue Fälle psychischer Erkrankungen verantwortlich sein, allein in den USA sind es 2,8 Millionen. Und unsere Zahlen haben noch nicht die unzähligen Menschen erfasst, die im Stillen leiden, weil sie das Stigma fürchten oder keine professionelle Unterstützung bekommen„, so Seniorautor Ziyad Al-Aly.

Konkret stellten die ForscherInnen fest, dass sich das Risiko, an Einer Depressiun und an stressbedingten Leiden zu erkranken, um 40 Prozent erhöhte. Bei Angsterkrankungen waren es 35 Prozent, neurogenerative Defizite wie Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit oder ähnliches traten 80 Prozent häufiger auf als in der Kontrollgruppe. Das Risiko, Schlafstörungen zu erleiden, lag 41 Prozent höher. Auch diverse Suchterkrankungen traten häufiger auf.

Wir wissen aus früheren Erfahrungen und Studien, dass die zwei Jahre der Pandemie eine enorme Herausforderung für unsere kollektive seelische Gesundheit darstellten. Aber obwohl wir alle unter der Pandemie gelitten haben, ging es den Menschen, die Covid-19 hatten, danach psychisch noch schlechter. Es ist wichtig, dass wir das erkennen, diagnostizieren und behandeln, bevor es zu einem noch größeren Problem wird„, so Al-Alay.

Die genaue Ursache ist unbekannt

In einem letzten Schritt untersuchten die ForscherInnen auch Grippe-Patienten. Dies sollte dazu dienen, auszuschließen, dass die erhöhte Inzidenz von psychischen Erkrankungen nicht eine allgemeine Folge des Krankseins oder einer Infektion mit einem Virus war. Das Team verglich die Daten der Personen, die an Covid-19 erkrankt waren, mit denen von etwa 72.000 ehemaligen Patienten, die von einer Grippe genesen waren. Darunter waren 12.000 Menschen, deren Influenza-Erkrankung so schwer war, dass sie hospitalisiert werden mussten.

Auch gegenüber dieser Vergleichsgruppe litten die ehemaligen Corona-Patienten häufiger unter psychischen Erkrankungen. Im Falle von milden Verläufen der Corona-Infektion war die Inzidenz um 27 Prozent höher, bei den schweren Verläufen waren es 45 Prozent. „Ich hoffe, auch das widerlegt die irrige Annahme, dass Covid-19 nicht schlimmer sei als eine Grippe. Das Coronavirus ist erheblich schwerwiegender„, so Al-Alay weiter.

Unsere Resultate deuten auf einen spezifischen Zusammenhang zwischen SARS-CoV-2 und psychischen Störungen hin. Wir wissen zwar noch nicht, warum das so ist. Aber einer der Hypothesen nach kann das Virus ins Gehirn eindringen und zelluläre und neuronale Funktionen stören – das könnte dann auch zu psychischen Erkrankungen führen„, fasst Al-Alay die Ergebnisse zusammen.

via Washington University School of Medicine in St. Louis

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