Der Begriff des Placebos ist den meisten Menschen geläufig. Er beschreibt ein Scheinmedikament, dass in der Regel keinen Wirkstoff enthält und somit auch keine pharmakologische Wirkung entfaltet. Eine positive Gesundheitsentwicklung während der Behandlung mit einem Placebo beschreibt man als Placebo-Effekt. Er wird mit psychosozialen Mechanismen erklärt und galt lange als rein subjektiver Effekt. Forscher der Universität München fanden nun allerdings auch Marker im Blut, anhand derer sich der Placebo-Effekt biochemisch nachweisen lässt.


Forscher untersuchen Placebo-Effekt

Der Placebo-Effekt kann selbst bei starken Schmerzen oder Parkinson-Symptomen helfen – und zwar sogar dann, wenn die Patienten wissen, dass sie lediglich eine Behandlung mit einem Scheinmedikament erhalten. Dabei konnten bei Probanden in Studien deutliche Veränderungen im Gehirn nachgewiesen werden. Die physiologischen Effekte des Placebo-Effekts sind bisher aber nur unzureichend untersucht.


Ein Team rund um Karin Meißner von der Universität München wollte sich dieses Themas annehmen und hat in einem Experiment untersucht, wie sich die im Körper ausgeschütteten Proteine unter einer Scheinbehandlung gegen Übelkeit verändern. „ Es ist die erste Studie überhaupt, die die Methode der Proteomik, also der Erforschung aller im Körper vorkommenden Proteine, im Kontext der Placebo-Forschung eingesetzt hat. Proteomik bietet einen unvoreingenommenen Blick auf den Placeboeffekt“, so Meißner.

Für die Studie setzten die Forscher die Probanden einem visuellen Reiz aus, der akute Übelkeit verursacht und maßen die Reaktionen auf diesen Reiz. Unter anderem befragten sie die Probanden nach ihren Symptomen, maßen die Magenaktivität und unterzogen Blutproben einer Proteomik-Analyse. Dieser Versuch fungierte als Kontrollversuch für den eigentlichen Placebo-Test, den die Forscher einen Tag später durchführten. Dabei erhielt dann ein Teil der Probanden eine Reizstrombehandlung mit einem TENS-Gerät an einigen gegen Übelkeit wirkenden Akupunkturpunkten. Eine weitere Gruppe erhielt eine Scheinbehandlung ohne tieffenwirksamen Strom.

74 Proteine beeinflusst

Das Ergebnis der anschließenden Untersuchungen zeigte primär ein erwartbares Ergebnis, nämlich dass auch die Placebo-Behandlung das subjektive Übelkeitsempfinden der Probanden sowie ihre Magenreaktionen linderte. Die Forscher waren allerdings überrascht davon, dass auch bei der Proteomik-Analyse deutliche Veränderungen nachweisbar waren – und zwar bei insgesamt 74 Proteinen. Unter anderem waren einige Proteine reduziert, die das Immunsystem als Antwort auf übelkeitsinduzierende Reize ausschüttet. „ Offenbar unterdrückt die Placebo-Behandlung diese schnelle Immun-Antwort“, so Meißner. Auch einige entzündungsfördernde Proteine waren verringert.

Hochreguliert wurden dagegen Neuropeptide, also Botenstoffe, die unter anderem für empathisches Verhalten und Bindung eine wichtige Rolle spielen. Die Forscher sehen darin eine Bestätigung früherer Studien, nach denen Einfühlungsvermögen und Empathie die Wirkung des Placeboeffekts verstärken.

Wir haben damit zum ersten Mal mittels Proteomik molekulare Signaturen entdeckt, die den Placebo-Effekt und seine Wirkung bei akuter Übelkeit reflektieren“, fassen die Forscher ihre Ergebnisse zusammen. Dies ist ein weiterer deutlicher Hinweis darauf, dass der Placebo-Effekt über reine Psychologie hinausgeht. Außerdem könnten die Ergebnisse hilfreich bei der Durchführung klinischer Studien sein, bei denen die Placebo-Wirkung regelmäßig die Analyse der Ergebnisse erschwert. „ Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass eine Blutplasma-Proteomik bahnbrechend sein könnte, um Biomarker zu identifizieren, die Placebo-Effekte bei klinischen Studien besser vorhersagen können“ so Meißner und ihre Kollegen.

 

via LMU

 

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