In Saudi-Arabien entsteht derzeit das Prestigeprojekt der dortigen Königsfamile: Die Megacity „The Line“. In ihr sollen eines Tages neun Millionen Menschen auf 34 Quadratkilometern leben. Das Besondere daran: Die Stadt ist als gerade Linie geplant, die sich über eine Strecke von 170 Kilometern erstreckt. Forscher:innen aus Wien haben genau dies nun kritisiert. Es handele sich um einen Werbegag, der für die Bevölkerung in unnötig langen Pendelstrecken resultieren würde.


Bild: The Line

The Line: Mega-Bauprojekt in der Wüste

In „The Line“ sollen nach der Fertigstellung 265.000 Menschen pro Quadratkilometer wohnen. Damit wäre die Einwohnerdichte etwa zehnmal dichter als Manhattan und viermal dichter als die Innenstadt von Manila. Beide gelten als die am dichtesten besiedelten Stadtviertel der Erde.

Die Megacity soll nach ihrer Fertigstellung aus zwei ununterbrochenen Reihe von Wolenkratzern bestehen, die sich vom Roten Meer aus mit einer Breite von 200 Metern über eine Länge von 170 Kilometern nach Osten ziehen soll. Mit 500 Metern soll „The Line“ auch höher werden als jedes Gebäude in Europa. Bereits im Oktober 2022 begannen die Aushubarbeiten für das ambitionierte Bauprojekt in der Wüste.


Kritik an der Megacity

Österreichische Komplexitätsfoscher:innen kritisieren das Projekt nun. Die Bauart und die großen Entfernungen würden etwa die Hälfte der Bevölkerung zu langen Pendelstrecken zwingen. „Eine lineare Form ist die am wenigsten effiziente Form einer Stadt. Es gibt einen Grund, warum die Menschheit 50.000 Städte hat, und alle mehr oder weniger rund sind„, so Rafael Prieto-Curiel vom Complexity Science Hub (CSH) in Wien.

Die Forscher:innen finden allerdings auch positive Punkte an dem Projekt, so etwa die nachhaltige Herangehensweise. Das Rückgrat des Verkehrs in der Stadt soll ein Hochgeschwindigkeitsbahnsystem werden. Zudem sei es dank der hohen Bevölkerungsdichte möglich, die meisten Dienstleistungen so zu platzieren, dass sie entweder fußläufig oder mit dem Fahrrad erreicht werden können.

Allerdings würde zwei zufällig ausgewählte Personen in der Megacity im Schnitt 57 Kilometer voneinander entfernt wohnen. In Johannesburg, das eine 50 mal größere Fläche einnimmt, seien es nur 44 Kilometer. Legt man die Gehdistanz auf einen Kilometer fest, so würden nur 1,2 Prozent der Bevölkerung von „The Line“ fußläufig voneinander entfernt wohnen.

Um alle Einwohner der Stadt fußläufig an die Hochgeschwindigkeitsbahn anzuschließen, müsste diese mindestens 86 Stationen haben, was wiederum dazu führen würde, dass die Züge zwischen zwei Stationen nicht ausreichend beschleunigen könnten. Daher würde eine Fahrt im Schnitt 60 Minuten dauern – etwa 47 Prozent der Menschen müssten noch länger pendeln. Die Wege wären in jedem Fall zeitintensiver als in vielen anderen Großstädten.

Kreisförmiger Aufbau wäre sinnvoller

Nach Ansicht der Forscher:innen wäre es vorteilhafter, die Stadt kreisförmig zu bauen. So könnten die Pendlerentfernungen verkürzt und damit auch der Energiebedarfü für den Transport reduziert werden. Bei einer Fläche von 34 Quadratkilometern würde dies in einem Kreis mit einem Radius von nur 3,3 Kilometern resultieren. Die durchschnittliche Entfernung zwischen zwei zufällig gewählten Bewohnern betrüge dann nur noch 2,9 Kilometer, etwa ein Viertel der Bevölkerung wäre nur einen Kilometer voneinander entfernt. Ein Hochgeschwindigkeitsbahnsystem wäre somit überflüssig, die meisten Orte wären zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar.

Insgesamt gesehen liegt die Vermutung nahe, dass andere Erwägungen bei der Wahl dieser einzigartigen Form eine Rolle gespielt haben könnten, wie zum Beispiel das Branding oder die Erstellung ansprechender Videos in den sozialen Medien„, so Prieto Curiel.

via Complexity Science Hub

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