Seit Anfang des Jahres ist die Welt fest im Griff der Corona-Pandemie. Aber nun gibt es erstmals einen Lichtblick: Das Ende der Pandemie ist absehbar. Denn inzwischen gibt es mehrere Impfstoffe gegen das Virus, die entweder kurz vor der Zulassung stehen oder bereits eine Notfallzulassung erhalten haben. Darunter sind sowohl mRNA-Vakzine, aber auch mehrere klassische Impfstoffe, die auf Trägerviren basieren. Aber selbst wenn alle bereits getesteten Impfstoff-Kandidaten zugelassen werden, wird es bis Ende 2021 nicht genug Impfdosen geben, um die gesamte Bevölkerung des Planeten zu impfen.


Eine neue Phase der Pandemie bringt neue Herausforderungen

Mit der Zulassung von Impfstoffen bahnt sich eine neue Phase in der Pandemie an. Nach und nach werden immer mehr Menschen gegen das Virus SARS-CoV-2 sowie die Krankheit Covid-19 geimpft werden können. „ Gleichzeitig werden die Probleme der Verteilung, der Zulieferung und des Zugangs bestimmen, wie effektiv diese Impfungen den Verlauf der Corona-Pandemie beeinflussen können“, erklärt Jason Schwartz von der Yale University in einem Editorial der Fachzeitschrift JAMA.


Die Operativen Herausforderungen der globalen Covid-19-Impfung werden mindestens so groß sein wie die wissenschaftlichen Herausforderungen, die bei der Entwicklung der Impfstoffe auftraten, vermutet Schwartz. Manche der Vakzinen müssen auf sehr niedrige Temperaturen heruntergekühlt werden. Und auch die Transportketten sowie die Logistik der Impfzentren stellen eine besondere Herausforderung dar – ganz zu schweigen von der generellen Verfügbarkeit der Impfstoffe.

Ein Fünftel der Weltbevölkerung muss warten

Ein Team rund um Anthony So und Joshua Wo von der Johns Hopkins University in Baltimore haben sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie viele Impfstoffdosen die Hersteller produzieren können und wie er verteilt werden wird. Für ihre Studie ermittelten die Forscher die voraussichtlichen Produktionskapazitäten der 13 Hersteller mit den fortgeschrittensten Vakzinen und analysierten, welche Abnahmeverträge bereits geschlossen wurden.

Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass alle 13 Impfstoff-Hersteller gemeinsam bis Ende des Jahres 2021 etwa 5,96 Milliarden Einheiten der Impfstoffe herstellen. Eine Einheit besteht dabei aus den zwei Dosen, die für eine Immunisierung benötigt werden. Daraus folgt, dass etwa ein Fünftel der Weltbevölkerung bis 2022 auf einen Impfstoff wird warten müssen. Dabei gehen die Forscher von idealen Bedingungen aus. Rückschläge wie Nichtzulassungen, Finanzierungsprobleme oder logistische Ausfälle wurden nicht in die Berechnungen mit einbezogen.

Reiche Länder bestellen die Hälfte der verfügbaren Dosen

Wer dabei auf den Impfstoff warten muss, scheint bereits festgelegt. Bereits jetzt haben sich reiche Länder wie Kanada, die USA, Japan, Großbritannien und die EU sich etwa 51 Prozent der Impfstoff-Dosen gesichert, obwohl sie nur 13 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, so die Forscher weiter. Dabei haben die meisten Länder deutlich mehr Impfstoff bestellt als sie benötigen. Kanada etwa führt mit 4,5 Impfeinheiten pro Kopf die Liste an. Australien und Großbritannien haben etwa 2,5 Einheiten pro Kopf bestellt. Im Falle der EU sind es 1,8 Impfeinheiten pro Kopf.

Bis auf Brasilien und Indonesien hat bisher kein Land mit mittlerem oder geringem Einkommen Vorbestellungen getätigt, obwohl diese Staatengruppe 85 Prozent der Weltbevölkerung repräsentiert.

Wer wird zuerst geimpft?

Die Frage nach der Proritätensetzung innerhalb der Bevölkerung haben sich Forscher rund um Wei Wang von der Fudan Universität in China gestellt. Sie identifizierten drei Gruppen, die besonders dringend geimpft werden müssen: Essenzielle Berufe, Risikogruppen wie alte und Vorerkrankte sowie Menschen, die besonders gefährdet sind, viele andere Menschen anzustecken. In diese drei Gruppen gehören nach Einschätzungen der Forscher weltweit 5,2 Milliarden Menschen. Zieht man nun die Anzahl derjenigen ab, die bereits mit dem Virus infiziert waren, bleiben noch 4,78 Milliarden Menschen. Der größte Teil davon – 2,8 Millionen Menschen – lebt in Asien. Europa und Amerika folgen mit je 700.000 Menschen, in Afrika sind es noch 500 Millionen.

Ärmere Länder haben aber oft nicht die Mittel, um genügend Impfstoffe für Ihre Bevölkerung zu kaufen. Die neuen mRNA-Impfstoffe schlagen mit 37 bis 79 US-Dollar pro Einheit zu Buche. Klassische Impfstoffe liegen zwischen sechs und 20 Dollar.

Es existieren bereits Initiativen, die die gerechte Verteilung der Impfstoffe trotz der finanziellen Hürden ermöglichen wollen. Zu ihnen gehört etwa die Impfstoffplattform COVAX von der Weltgesundheitsorganisation WHO. Das Prinzip dahinter ist, dass reiche Mitgliedsländer Geld und Ressourcen bereitstellt, um die Impfung von Menschen in ärmeren Ländern zu unterstützen. Allerdings gibt es durchaus Kritik an COVAX: „ Die Bemühungen, den globalen Zugang über die COVAX-Facility zu koordinieren, hinken hinter den Bestellungen und Abnahmeverträge der reichen Länder hinterher. Zudem ist die volle Finanzierung noch nicht gesichert und die USA und Russland sind dieser Initiative bisher nicht beigetreten. Ausgerechnet diese beiden Länder aber beherbergen die Herstellerfirmen, die für einen großen Anteil der weltweiten Produktionskapazität für Covid-19-Impfstoffe verfügen“, erklären So und Woo.

Gerechte globale Verteilung ist eine Herausforderung

Die klassischen Impfstoffe können zum großen Teil auch in Produktionsanlagen in Asien hergestellt werden. Daher gibt es auch bereits Kooperationsverträge mit den betreffenden Herstellern. So will das indische Serum Institut eine Milliarde Dosen des Impfstoffes von AstraZeneca herstellen, die vorwiegend in Indien und ärmeren Ländern zum Einsatz kommen sollen.

Insgesamt diagnostizieren die Forscher bei der globalen Impfstrategie gegen SARS-CoV-2 eine deutliche Diskrepanz zwischen dem Angebot und der Nachfrage auf der einen Seite und dem medizinisch-ökonomisch Notwendigen auf der anderen.

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