Viel Trinken ist gesund – zumindest dann, wenn es sich um Wasser handelt. Schön und gut, aber wie viel Wasser braucht unser Körper tatsächlich. Forscher:innen sind dieser Frage nachgegangen und haben erstmals eine Gleichung entwickelt, die den individuellen täglichen Wasserbedarf eines Menschen ermitteln kann. Dabei werden Faktoren wie Geschlecht, Körpergewicht, Temperatur, körperliche Aktivität, Alter und Körperfettanteil mit einbezogen. Aber auch Faktoren wie Wohnort und Wohlstand des Individuums sind entscheidend.


Wasser ist lebensnotwendig

Die regelmäßige Aufnahme von Wasser ist für uns lebensnotwendig. Ohne Wasser liegen Stoffwechselprozesse brach und der Körper trocknet aus. Wird der Flüssigkeitsgehalt des Körpers zu niedrig, sorgt unser Gehirn für ein Durstgefühl. Da unser Körper ständig Wasser verliert, müssen wir regelmäßig nachliefern.


Wie viel Wasser unser Körper benötigt, ist keinesfalls so eindeutig, wie man glauben könnte. Gängige Empfehlungen sprechen von einer Menge zwischen 1,5 und drei Liter pro Tag. Allerdings beruhen diese in der Regel auf groben Schätzungen sowie Verallgemeinerungen. Wie viel Wasser der menschliche Körper tatsächlich benötigt, ist sehr verschieden. Forscher:innen rund um Yosuke Yamada vom japanischen Nationalen Forschungsinstitut für Gesundheit und Ernährung sind der Frage nachgegangen, wie sich der Bedarf am besten ermitteln lässt.

Dem Wasserbedarf mit Deuterium auf der Spur

Für ihre Untersuchungen betrachtete das Team mehr als 5.600 Menschen aus insgesamt 26 verschiedenen Ländern. Diese Probanden tranken jeweils 100 Milliliter Wasser, in dem die normalen Wasserstoffatome durch das Wasserstoff-Isotop Deuterium ersetzt wurde. Diese Isotopenmarkierung erlaubte es den Forscher:innen, nachzufolgen, wie sich dieses Wasser im Körper verbreitete und wie es verdünnt wurde. Diese Erkenntnisse ließen Rückschlüsse auf den Wassergehalt des jeweiligen Körper zu.

Die Veränderung der Isotopenwerte im Laufe der Zeit wiederum ermöglichte Schlüsse auf den individuellen Wasserbedarf. „Wenn man die Rate misst, mit der eine Person diese stabilen Isotope über ihren Urin im Laufe einer Woche abgibt, dann verrät einem das, wie viel Wasser ihr Körper in dieser Zeit ersetzt„, so Koautor Dale Schoeller von der University of Wisconsin–Madison. Dieser Wasserdurchsatz wurde für jede Testperson individuell ermittelt, wobei eine Vielzahl individueller und umweltbedingter Einflussfaktoren mit einbezogen wurden – unter anderem das Klima, die körperliche Aktivität, das Alter, das Geschlecht und der Body-Mass-Index.

Große Bandbreite beim Wasserbedarf

Die Forscher:innen kamen zu dem Schluss, dass der Wasserbedarf des menschlichen Körpers individuell sehr unterschiedlich ist. Erwachsene benötigen laut den Ergebnissen eine Menge zwischen einem und sechs Litern pro Tag. Einzelne Ausreißer benötigten sogar bis zu zehn Liter pro Tag. Als größte Einflussfaktoren stellten sich dabei das Alter, das Geschlecht, das Körpergewicht und der Fettanteil heraus. Weiter beeinflusste körperliche Aktivität und Trainiertheit, das Klima sowie die geografische Lage und der Wohlstand den Wasserbedarf.

Die Wissenschaftler:innen konnten diese Zusammenhänge quantifizieren und in einer Gleichung ausdrücken, die den Menschlichen Wasserbedarf in Beziehung zu „anthropometrischen, ökonomischen und umweltbedingten Faktoren“ voraussagen kann. So ist es erstmals möglich, rechnerisch eine Annäherung an den individuellen Wasserbedarf vorzunehmen.

Männer brauchen mehr Wasser

Von den einzelnen Einflussfaktoren her machte das Geschlecht etwa einen halben Liter Wasser pro Tag aus – diesen benötigen Frauen unter den gleichen Bedingungen im Vergleich zu gleichaltrigen Männern weniger. In Deutschland liegt etwa der Wasserbedarf eines 20-jährigen Mannes mit einer mittleren körperlichen Aktivität und einem Körpergewicht von 70 Kilogramm bei etwa 3,2 Litern, während es bei einer gleichgroßen, gleichschweren und gleichalten Frau 2,7 Liter sind. „Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern und Altersgruppen spiegeln vor allem Unterschiede im Körperfettanteil wider, weil Fettgewebe weniger Wasser enthält als Muskeln und andere Organe„, so die Forscher:innen.

Körperliche Aktivität: Mehr Muskeln gleich mehr Bedarf

Aber auch andere körperliche Faktoren sind quantifizierbar. So benötigt ein trainierter Sportler etwa einen Liter Wasser mehr pro Tag als ein Nichtsportler. Die gilt auch bei körperlicher Inaktivität. Körperliche Bewegung ist allerdings natürlich auch ein Faktor: Steigt unsere körperliche Aktivität und damit der Energieumsatz um 50 Prozent, müssen wir etwa einen Liter mehr trinken. Auch das Gewicht spielt eine Rolle, da der Körper das Gewebe mit Wasser versorgen muss.

Zudem verändert sich der Wasserumsatz im Laufe des Lebens. Neugeborene haben pro Kilogramm Körpergewicht den höchsten Wasserbedarf. Sie müssen Tag für Tag etwa 28 Prozent ihrer Körperflüssigkeit durch Trinken ersetzen. Bei jungen Erwachsenen sind es neun Prozent. Wer 80 Jahre alt ist, der benötigt etwa 0,7 Liter Wasser weniger als es noch mit 30 der Fall war.

Überraschend: Auch der Entwicklungsstand des Wohnorts spielt eine Rolle

Einen weiteren, wenngleich auch naheliegenden, Zusammenhang gibt es zwischen Klima und Geografie und dem Wasserbedarf. Faktoren wie Wärme, Meereshöhe und Luftfeuchtigkeit beeinflussen, wie viel Wasser der Körper pro Tag benötigt. Wenig überraschend macht dieser Faktor am Äquator am meisten aus. Am geringsten ist der Einfluss auf Höhe des 50. Breitengrads, also etwa in Deutschland.

Überraschender war für die Forscher:innen der Zusammenhang zwischen Wirtschafts- und Entwicklungsstand eines Landes und dem individuellen Wasserbedarf. „Menschen in Länder mit niedrigem Entwicklungsindex haben auch nach Berücksichtigung aller anderen Faktoren einen 200 Milliliter höheren Wasserbedarf als Menschen in hochentwickelten Ländern unter gleichen Bedingungen„, so die Wissenschaftler:innen. Dies ließe sich unter anderem durch das Vorherrschen klimatisierter Räumlichkeiten in reicheren Ländern.

Unsere Studie illustriert deutlich, dass es bei der täglich nötigen Trinkmenge keine Einheitsgröße gibt. Die gängige Empfehlung, zwei Liter Wasser am Tag zu trinken, wird durch die objektiven Daten nicht gestützt„, fasst das Team die Ergebnisse zusammen.

via Science

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