Wer sich Jules Vernes Roman „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ zu Gemüte geführt hat, der kennt die Vision des Schriftstellers, dass sich tief im Erdinneren ein großer Ozean verborgen hält. Und auf eine bestimmte Art und Weise lag er damit vermutlich gar nicht mal so falsch. Der Erdmantel könnte nämlich deutlich mehr Wasser enthalten als bisher angenommen – allerdings nicht in Form eines klassischen Ozeans. Zumindest legt dies eine Studie nun nahe.


Bild: Tingting Gu, Gemological Institute of America, New York, NY, USA

Gebundenes Wasser Wasser in Mineralen

Erste Hinweise auf große Mengen Wasser im Erdmantel lieferte die Entdeckung des wasserhaltigen Minerals Ringwoodit, das in Diamanteinschlüssen aus der Übergangszone zwischen oberem und unterem Erdmantel gefunden wurde. Allerdings konnte aus dem damals analysierten Diamanten keine ausreichenden Hinweise auf die Mineralzusammensetzung seiner Herkunftszone gewonnen werden. Es blieb deshalb unklar, ob das Kristallwasser, das im Ringwoodit enthalten war, eine Ausnahmeerscheinung darstellte oder ein Hinweis auf das Vorkommen von Wasser in der gesamten Übergangsschicht des Erdmantels war.

Ein weiterer, größer Diamant aus dieser Schicht lieferte nun Antworten. Gefunden wurde der Edelstein mit 1,5 Karat in der Karow-Mine in Botswana. Analysiert wurde er dann von einem Team rund um Tingting Gu vom Gemological Institute of America. Besonderes Augenmerk legten die Forscher:innen dabei auf die Untersuchung der Zusammensetzung des Diamanten sowie der in ihm enthaltenen Mineraleinschlüsse.


Dabei stellte sich heraus, dass der Diamant nicht wie die meisten Diamanten aus dem oberen Erdmantel stammt, sondern an der Grenze zum unteren Erdmantel entstand. Der Karow-Diamant entstand in einer Tiefe von 660 Kilometern – in einer Zone, in der Temperaturen von etwa 1650 Grad sowie ein Druck von 23,5 Gigapascal herrschen.

Diamanten aus der Tiefe

Diese extremen Bedingungen wurden auch bei der Untersuchung der Einschlüsse innerhalb des Diamanten deutlich. „Die Mineralzusammensetzung markiert ein Szenario, in dem Ringwoodit an dieser Grenze anfängt, sich in Ferroperiklas und Bridgemanit umzuwandeln„, so die Forscher:innen. Derartige Umwandlungsprozesse sind für die Übergangsschicht zum unteren Mantel typisch. Hinzu kommen weitere chemische Merkmale, die in Kombination mit dem Umwandlungsprozess bestätigen, dass der Diamant und seine Einschlüsse keine Ausnahme sind, ssondern die typischen Bedingungen in dieser Zone widerspiegeln.

Der Diamant aus Botswana zeigt daher, dass es im Erdmantel wirklich ein ganz erhebliches Wasserreservoir gibt. „Wir haben mit dieser Studie nachgewiesen, dass die Übergangszone kein trockener Schwamm ist, sondern erhebliche Mengen Wasser speichert“, so Frank Brenker von der Goethe-Universität in Frankfurt, Koautor der Studie. Rechnerisch betrachtet können die Minerale Wadsleyit und Ringwoodit, die in der Übergangsschicht vorkommen, sechs mal so viel Wasser speichern wie in allen Weltmeeren zusammen existiert.

Dass in dem Diamanten gebundenes Wasser nachgewiesen wurde, zeigt wiederum, dass es sich bei der Wasserspeicherung nicht nur um eine Theorie handelt, sondern diese tatsächlich existiert. „Damit kommen wir auch der Idee von Jules Verne näher, der bekanntlich einen Ozean im Erdinnern postulierte, so Brenker. Allerdings ist die Realität doch ein wenig anders als die Fiktion des französischen Autors. Denn das Wasser im Erdinneren fließt nicht frei in einem riesigen Ozean, sondern ist im Gestein gebunden.

Deutliche Folgen des Wassergehalts

Dennoch hat der Wassergehalt der Erdmantel-Übergangsschicht spürbare Folgen. Er verändert die Eigenschaften des Gesteins, das etwa leichter schmelzen kann als wasserfreies Gestein. Die Übergangsschicht wird damit weicher und dynamischer, was wiederum das Auf- und Absteigen von Gesteinsmassen im Erdmantel beeinflusst.

Des Weiteren liefern die Erkenntnisse über den Wassergehalt der Übergangsschicht wertvolle Informationen über die Plattentektonik der an der Subduktionszone abtauchenden Erdplatten. „Mit den abtauchenden Platten werden auch Tiefseesedimente huckepack mit ins Erdinnere transportiert. Diese Sedimente können große Mengen Wasser und CO2 speichern. Wie viel davon aber in Form von stabileren, wasserhaltigen Mineralen und Karbonaten die Übergangszone erreicht, war bisher unklar„, so Brenker weiter. Die Resultate der Forscher:innen legen die Vermutung nahe, dass eine große Menge dieses Wassers ins Erdinnere gelangt.

via Goethe-Universität Frankfurt

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