Helgoland bezeichnet sich selbst gerne als Deutschlands einzige Hochseeinsel. Besonders groß ist sie allerdings nicht: Mit einer Fläche von rund einem Quadratkilometer ist sie etwa deutlich kleiner als der bisher unbebaute ehemalige Berliner Flughafen Tempelhof. Dennoch wird die Insel immer wieder genannt, wenn es um die Zukunft der deutschen Energiewende geht. Konkret geht es um grünen Wasserstoff. Dieser wird benötigt, um zahlreiche industrielle Prozesse klimaneutral zu gestalten. Das Problem: Die Herstellung ist extrem energieintensiv, weshalb es bisher deutlich zu wenig davon gibt. Hier kommt nun Helgoland ins Spiel. Denn rund um die Insel wehen starke und konstante Winde. Dies hat die Windkraftbranche bereits vor einigen Jahren erkannt und ist aktuell dabei den vierten großen Windpark in der Nähe der Insel zu errichten. Diese wiederum dient als Basis für die Bauarbeiten, was den öffentlichen Finanzen sehr gut tut.


Bild: Carsten Steger, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons

An dem Projekt sind viele europäische Energieriesen beteiligt

Dieser Ansatz soll nun weiter entwickelt werden. So ist zunächst geplant, die Zahl der Windräder noch einmal massiv zu erhöhen. Der so produzierte Ökostrom wird dann direkt vor Ort per Elektrolyse in Wasserstoff verwandelt. Von Helgoland aus soll dieser dann auf das deutsche Festland und in alle Welt exportiert werden. Aus Sicht der Energiekonzerne wäre diese Vorgehensweise extrem lukrativ. Auch deshalb haben sich fast alle europäischen Großen der Branche an dem Projekt namens Aqua Ventus beteiligt: Von RWE über Vattenfall und Siemens bis hin zu Ørsted. Gemeinsam wollen diese und rund sechzig weitere Firmen dann spätestens ab dem Jahr 2035 eine Million Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr produzieren. Dies würde zwar den Bedarf der deutschen Industrie noch lange nicht decken. Zumindest könnten dadurch aber die notwendigen und teuren Importe reduziert werden. Das Projekt in Helgoland stellt somit einen wichtigen Baustein der deutschen Energiewende dar.

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Die lokale Politik ist sich noch uneinig

Die Bewohner der Insel betrachten die Planungen aber mit einer gewissen Skepsis. Vorangetrieben wird das Projekt vor allem durch den Bürgermeister Jörg Singer. Zu den Gegnern gehört hingegen sein dritter Stellvertreter Thorsten Falke vom Südschleswigschen Wählerverband. Dieser betont zwar grundsätzlich die Notwendigkeit der Energiewende. Helgoland aber trage dazu schon genug bei. Für das geplante Wasserstoffprojekt sei die Insel hingegen nicht geeignet. Seine Argumente reichen dabei von der Gefahr für die zahlreichen Zugvögel bis hin zu Bedenken bezüglich der bei der Elektrolyse verwendeten Chemikalien. Auch der notwendige weitere Ausbau des Hafens wird kritisch gesehen. Die große Sorge aber: Das auch bei Touristen beliebte Helgoland könnte zu einer reinen Industrie-Insel werden. Dies würde zwar für viele Gewerbesteuereinnahmen sorgen. Arbeitsplätze für einheimische Kräfte entstehen dadurch aber keine. Stattdessen strömen externe Arbeitskräfte auf die Insel.

Auch die Offshore-Windräder wurden zunächst skeptisch betrachtet

Diese aber lassen nur wenig Geld in den lokalen Geschäften. Erste Anzeichen für eine solche Entwicklung sind bereits zu beobachten. So kann das einst größte Hotel der Insel nicht mehr von Touristen gebucht werden. Stattdessen hat sich der Energiekonzern RWE eingekauft und bringt dort seine Arbeiter unter. Meinungsumfragen zu dem geplanten Wasserstoff-Projekt gibt es bisher nicht. Externe Beobachter berichten aber davon, dass die Bedenken Falkes durchaus von großen Teilen der Einwohner geteilt werden. Dies war allerdings auch schon vor dem Bau der ersten Offshore-Windparks so. Hier wird ein grundsätzliches Problem der Energiewende sichtbar: Grundsätzlich wird diese von weiten Teilen der Bevölkerung unterstützt. Sobald es um konkrete Projekte in der eigenen Nachbarschaft geht, steigt die Skepsis aber in vielen Fällen stark an. Es dürfte daher spannend werden zu beobachten, in welche Richtung sich Helgoland in den nächsten Jahren entwickelt.

Via: Der Standard

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