Die Konsumenten bestellen immer mehr im Internet. Einen deutlichen Zuwachs konnte dieser Trend vor allem auch im Rahmen der Covid-19-Pandemie verzeichnen. Aber die Bequemlichkeit des Online-Shoppings kommt mit einem Problem: Sie sorgt für eine wahre Paketflut, die die Logistikbranche vor Herausforderungen stellt. Eine Lösung könnte sein, Pakete unter anderem auch in der Straßenbahn zu transportieren. ForscherInnen arbeiten bereits an entsprechenden Lösungen.


Ungenutzte Kapazitäten im Nahverkehr

Echte Stoßzeiten, in denen Straßenbahnen wirklich voll sind, liegen üblicherweise am Morgen und Nachmittags. Wer Vormittags oder am späten Abend Straßenbahnen nutzt, der hat in der Regel eine Menge Platz (mit bestimmte Ausnahmen natürlich). Aus der Sicht der ForscherInnen des KIT sollten bestehende Kapazitäten besser genutzt werden, und zwar für die Beförderung von Paketen. Die Folge wäre, dass der eigentliche Lieferverkehr in Städten reduziert werden könnte, was zu einer Entlastung der Straßensysteme führen sowie die CO2-Emissionen senken würde.


Der Fahrzeugtechniker Michael Frey vom KIT ist an einem Forschungsprojekt mit dem Namen LogIKTram beteiligt, in dessem Rahmen ein Container-Fahrzeug auf drei Rädern entwickelt wird, das automatisiert an einer Haltestelle am Stadtrand in Karlsruher Straßenbahnen einsteigen und im Zentrum wieder aussteigen können soll. Am Aussteigeort würden dann Zusteller warten, die die Fracht ausliefern würden.

Paketboom nimmt weiter zu

Die Paketbranche ist dank des Online-Handel-Booms bereits seit mehreren Jahren auf Wachstumskurs. 2021 wurden 4,5 Milliarden Sendungen ausgeliefert. Alternative Lieferkonzepte, die den Verkehr in Städten entlasten und die Luftverschmutzung senken können, sind daher schwer gefragt. Während in der Branche Elektrotransporter und Lastenräder schon längst einen festen Platz haben, konzentriert man sich nun auf die Möglichkeit, den Nahverkehr in den Pakettransport einzubeziehen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Strukturen sind bereits vorhanden, Kapazitäten ebenfalls. In Zeiträumen, in denen der Nahverkehr nur unzureichend ausgelastet ist, könnte der Transport von Paketen quasi zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Vergangenen Dienstag veröffentlichte der Logistik-Verband Biek eine Studie, die sich mit den Möglichkeiten befasst, den Nahverkehr für den Pakettransport zu nutzen. „Das Potenzial ist groß, aber es sind noch viele offene Fragen zu klären„, so Ralf Bogdanski von der Technischen Hochschule Nürnberg, einer der Koautoren der Studie.

Straßenbahnen sind den ganzen Tag unterwegs, zu bestimmten Uhrzeiten aber nur wenig ausgelastet. Wenn die Auslastung bei 20 bis 30 Prozent liegt, sei eine Zusatzbelegung mit Paketen relativ problemlos möglich, so Bogdanski. Je nach Linie ergäben sich so am späten Vormittag, am späten Nachmittag sowie am Abend. Neben Straßenbahnen seien auch die Mehrzweckabteile von Regionalzüge ideal für den Transport von Paketen geeignet. So könnten Sendungen bis zu 100 Kilometer auf relativ klimaschonende Art und Weise zurücklegen.

Transport in Zügen

In den Mehrzweckabteilen der Regionalzüge werden bisher Fahrräder transportiert sowie Platz für Rollstuhlfahrer und Kinderwägen bereitgestellt. Auch in den Transportkonzepten für Pakete sollten Menschen immer Vorrang haben.

Die Öffentlichkeit müsste über den Pakettransport gut informiert werden und Verständnis dafür haben„, erläutert Michael Frey. Der Containertransporter, an dem er mit seinem Team arbeitet, soll automatisch in Straßenbahnen einfahren können, dabei aber Menschen automatisch Vorrang gewähren.

Neben dem Transport direkt im öffentlichen Nahverkehr gäbe es auch die Möglichkeit, reine Güterbahnen einzurichten. Kai-Oliver Schocke, ein Logistik-Professor aus Frankfurt, testete 2019 gemeinsam mit Hermes die Nutzung einer Straßenbahn exklusiv für den Pakettransport. Gut ausgebaute Transporttrams, so die ForscherInnen damals, wären bis zu 15 Prozent günstiger als der Transport über die Straße. Schocke selber sieht den „Mischbetrieb“, soll heißen den Transport von Personen und Paketen in einer Bahn, eher skeptisch.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) ist grundsätzlich offen für Konzepte, die „den Stand der Technik abbilden und auch logistische und finanzielle Fragen klären„, so ein Sprecher. Allerdings dürften die Kunden beim Ein- und Ausladen von Paketen nicht behindert werden. Außerdem müsse die Leistungsfähigkeit der Strecken erhalten bleiben, ohne dass es zu großen Haltezeitverlängerungen käme. Zudem fehle es bisher an gesetzlichen Regelungen.

Fragt man Ralf Bogdanski, so rechnet dieser mit einem Regelbetrieb in fünf bis zehn Jahren. Wenn nicht etwas Unvorhergesehenes passiert, wird das Paketvolumen bis dahin noch kräftig zunehmen.

via BIEK, KIT

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