Bitterfeld bildete das Zentrum der Chemieindustrie in der DDR. Umweltschutz wurde damals allerdings nicht besonders groß geschrieben. Nach der Wiedervereinigung sprachen Umweltschutzgruppen sogar von einem „Öko-Tschernobyl“. In den 1990er Jahren wurden daher zahlreiche Proben aus Böden, Grundwasser und Sediment entnommen. Aus diesen Daten wurde dann ein digitales Register erstellt – die sogenannte Umweltdatenbank. Diese wird unter anderem benötigt, um neue Bauanträge zu bewerten. Auch sonst dient das digitale Dokument dazu, sicherzustellen, dass die historischen Umweltlasten nicht erneut zum Problem werden. Doch im vergangenen Jahre machte der Landkreis Anhalt-Bitterfeld dann mit einem anderen Problem deutschlandweit Schlagzeilen: Ein Ransomware-Angriff hatte die Verwaltung lahmgelegt, sodass sogar erstmals in der Geschichte ein digitaler Katastrophenfall ausgerufen werden musste. Dies ermöglichte unter anderem den Einsatz von Fachkräften der Bundeswehr. Gelöst werden konnte das Problem dann erst nach langen 207 Tagen.


Papierakten und Einzeldaten stehen noch zur Verfügung

Der Landkreis weigerte sich allerdings Geld an die Erpresser zu zahlen. Folgerichtig wurden auch die verschlüsselten Dateien von den Erpressern nicht entschlüsselt. Den Angaben des Landkreises zufolge handelt es sich um Daten mit einer Größe von mehreren Terabyte. Seitdem können die Mitarbeiter unter anderem nicht mehr auf die Umweltdatenbank zugreifen. Experten arbeiten zwar fieberhaft daran, die Dateien wiederherzustellen. Noch ist aber nicht absehbar, bis wann dies gelingen könnte. Solange müssen die Mitarbeiter auf alte Papierakten oder noch zur Verfügung stehende Einzeldaten zurückgreifen. Dies ermöglicht zumindest die Bearbeitung der entsprechenden Anträge. Allerdings wird dafür deutlich mehr Zeit benötigt als in der Vergangenheit. Der Ransomware-Angriff aus dem vergangenen Jahr beeinträchtigt die Arbeit der Verwaltung also bis heute. Der Fall verdeutlicht somit die Gefahr von Cyberattacken. Dies gilt zwar nicht nur für Behörden. Vielmehr wurden im vergangenen Jahr auch zahlreiche Firmen Opfer solcher Attacken.


Das Grundgesetz soll angepasst werden

Dennoch will das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) das Thema weiterhin im Fokus behalten. So wird gemeinsam mit dem Innenministerium eine Initiative vorangetrieben, die eine Änderung des Grundgesetzes vorsieht. Dadurch soll die Behörde in die Lage versetzt werden, Länder und Kommunen aktiver bei der Abwehr von Cyberangriffen zu unterstützen. Im Idealfall ist eine solche Vorgehensweise deutlich effizienter, als überall eine eigenständige Expertise aufzubauen. Für die Bürger in Bitterfeld, die über Monate auf wichtige öffentliche Dienstleistungen verzichten mussten, kommt die Initiative natürlich zu spät. Zumindest könnte der Fall nun aber dafür sorgen, dass man zukünftig besser auf solche und ähnliche Attacken vorbereitet ist. Und vielleicht gelingt es ja sogar noch, die detaillierte Umweltdatenbank, die zu den umfangreichsten ihrer Art in Deutschland gehört, vollständig zu rekonstruieren und in das neue System einzuspielen.

Via: Spiegel

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