Während einige Impfstoffe bei Raumtemperatur transportiert und gelagert werden können, müssen viele andere gekühlt werden. Auch andere medizinische Substanzen müssen kühl gehalten werden. Diese Kühlung verursacht Jahr für Jahr immense Kosten und ist nicht unfehlbar: Wegen Temperaturschwankungen werden enorme Mengen an Impfstoffen unbrauchbar. Forscher:innen haben nun eine mögliche Lösung für dieses Problem gefunden: Statt auf aufwändige Kühlungsmaßnahmen setzt ihr Verfahren auf ein Hydrogel als Speichermedium für Protein-Wirkstoffe. Dieses macht die Substanzen auch ohne Kühlung haltbar. Mit einem harmlosen Lösungsmittel kann der Wirkstoff dann wieder aus dem Hydrogel herausgelöst werden.


Bild: ETH Zürich / Jonathan Zawada

Temperatur als Impfstoffkiller

Impfstoffe sind ein bewährtes Mittel zum Schutz von Individuen vor Infektionskrankheiten sowie zur Eindämmung ihrer Ausbreitung und Weiterentwicklung. Wirkstoffe in Impfungen sind häufig entweder Proteine oder tote beziehungsweise harmlose Viren. Allerdings kommen Impfstoffe auch mit Herausforderungen. Eine dieser Herausforderungen ist der sichere Transport einer Vakzine zu ihrem Einsatzort, insbesondere wenn dieser abgelegene liegt und schwer erreichbar ist. Wie auch bei anderen Protein-Substanzen ist für den Transport entsprechender Impfstoffe oft eine Temperatur von durchgängig zehn Grad Celsius erforderlich.

Diese Kühlung aufrecht zu erhalten kostet Geld. Alleine 2020 wurden für Kühlketten Schätzungen zufolge etwa 17,2 Milliarden US-Dollar aufgewendet und es wird ein weiterer Anstieg prognostiziert. Und wenn es zu logistischen Problemen kommt, ist die Folge oft, dass große Mengen Protein-Wirkstoff auf dem Müll landen. Insbesondere in Ländern mit schwächerer Infrastruktur gestaltet sich das Aufrechterhalten der Kühlkette oft schwierig. Gerade in solchen Ländern werden Impfstoffe aber dringend benötigt.


Ein Forscherteam rund um Bruno Marco-Dufort von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich entwickelt deshalb derzeit eine alternative Möglichkeit zum Schutz der Impfstoffe vor Temperaturschwankungen.

Temperaturschutz für Proteine

Das Konzept der Forscher:innen basiert auf ein spezielles Hydrogel. Für die Stabilisierung der Wirkstoffe ist dabei ein biokompatibles Polymer auf Basis von Polyethylenglycol (PEG). Das Hydrogel bildet eine Art Verpackung aus, die die Proteine einkapselt und voneinander trennt. Die so eingekapselten Moleküle können deutlich höheren Temperaturen widerstehen, ohne dass sie dabei ihre Wirksamkeit verlieren. Normalerweise sind Proteine auf Temperaturen von zwei bis acht Grad Celsius angewiesen. Verpackt in das Hydrogel halten sie Temperaturen von bis zu 65 Grad Celsius aus.

Hinzu kommt, dass es relativ einfach ist, die Substanzen am Einsatzort wieder freizusetzen. Dafür wird lediglich eine relaitv harmlose Glukoselösung benötigt. Die Zuckermoleküle reagieren mit dem PEG-Netz und lösen es auf. Den Forscher:innen gelang es bereits zu zeigen, dass das Hydrogel bei unterschiedlichen Protein-Substanzen zum Einsatz kommen kann. Unter den getesteten Substanzen waren unter anderem hitzeempfindliche Enzyme und ein Impfstoff auf Proteinbasis. Auch Adenoviren vom Typ 5 können durch das System thermisch stabilisiert werden. Diese Viren spielen eine wichtige Rolle als Vektor in diversen Vektorimpfstoffen – etwa auch bei den Vektorimpfstoffen gegen Covid-19.

Für Enzyme bereits einsetzbar

Die Forscher:innen betonen, dass das Hydrogel bereits jetzt für den Transport hitzeempfindlicher Enzyme eingesetzt werden kann. Für die Anwendung des Verfahrens im Impfsektor sind allerdings noch Sicherheitstests und klinische Studien erforderlich. „ Die Temperaturempfindlichkeit von Impfstoffen stellt eine große Hürde für globale Kampagnen dar, da der Aufwand für die Impfstoffverteilung und die Verwaltungskosten die Produktionskosten übersteigen. Wenn man die Kühlketten verbessern will, sind allerdings enorme Investitionen erforderlich. Die Einkapselung ist hingegen eine kostensparende Lösung, sodass die Gelder dafür eingesetzt werden können, mehr Impfstoff zu produzieren – was mehr Leben retten könnte“, so Marco-Dufort.

via ETH Zürich

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