Sicher versuchten schon Steinzeitmenschen, Verletzten und Kranken zu helfen, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Aber dass unsere frühen Vorfahren erfolgreich am Schädel operierten, scheint schwer vorstellbar. Mit grobem Werkzeug ohne Feingefühl an den empfindlichsten Stellen des Körpers herumschneiden, kann das gutgehen? Und ob! Schmerzhaft muss das trotzdem gewesen sein.


Steinzeitmesser sehen nicht gerade aus wie chirurgische Präzisionsinstrumente

Der Eingriff erfolgte aufgrund einer Mittelohrentzündung

Archäologen haben in Spanien einen steinzeitlichen Schädel gefunden, der deutliche Spuren einer Operation aufweist. Das Forscherteam arbeitet an der Universidad de Valladolid und veröffentlichte seine Ergebnisse im Fachjournal Scientific Reports. Die menschlichen Überreste lagen in einem Megalithgrab im nordspanischen El Pendón, sie sind etwa 3.300 Jahre alt. Die ungefähr 50 Jahre alte Steinzeitfrau hat einen Eingriff am Ohr hinter sich, der wahrscheinlich aufgrund einer Mittelohrentzündung erfolgte. Der Operateur vergrößerte beide Gehörgänge, danach sei die Knochenoberfläche wieder verheilt.

Ältester Beleg für eine erfolgreiche Mastoidektomie

Die Wissenschaftler geben bekannt, dass dies der bislang älteste bekannte Beleg für eine derartige Operation ist. Im linken Ohrbereich finden sich weitere feine Schnittspuren, Spuren von erkranktem Gewebe sind hingegen nirgends zu finden. Sehr wahrscheinlich verlief die Operation erfolgreich, wenn sie auch extrem schmerzhaft gewesen sein muss. Ordentliche Betäubungsmittel waren damals mit großer Gewissheit noch nicht bekannt. Entweder wurde die Patientin fixiert oder unter Drogen gesetzt, um das Abschaben der Knochen ohne Fluchtversuche oder Gegenwehr zu überstehen. Ihre starke Mittelohrentzündung hatte wahrscheinlich einen Bakterienfall am Schädelknochen ausgelöst, die nur noch chirurgisch durch Entfernen des betreffenden Gewebes zu bekämpfen war. In der modernen Medizin heißt dieser Eingriff Mastoidektomie.


Mastoidektomien werden unter dem Mikroskop durchgeführt

Aufgrund des Antibiotikaeinsatzes kommt es heute kaum noch zu dieser Art von Operation. Akute eitrige Mittelohrentzündungen heilen unter der Medikation relativ zügig ab. Falls sich die Entzündung jedoch auf die Zellen des Warzenfortsatzes ausdehnt, folgt darauf ein starkes Krankheitsgefühl mit Schwellung unter dem Ohr. Da die Gefahr einer Blutvergiftung oder Hirnhausentzündung besteht, wird dies als Notfall eingestuft, jetzt hilft nur noch der Chirurg! Dieser setzte einen Schnitt hinter der Ohrmuschel und nutzt für die weitere Arbeit ein Mikroskop. Sein Steinzeitkollege kam ohne optische Vergrößerung aus – und es hat tatsächlich trotzdem geschafft.

Quelle: forschung-und-wissen.de

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