Die medizinische Biologie macht in den letzten Jahren und Jahrzehnten rapide Fortschritte. Ein wichtiger Teil dieser Fortschritte basieren auf der Genetik. Methoden wie die Genschere CRISPR bieten das Potential, bisher unheilbare Krankheiten schon in ihrer Entstehung entgegenzutreten. Aber auch in anderen Bereichen gibt es enorme Fortschritte. So arbeiten Forscher weltweit daran, künstliche Zellbestandteile und sogar ganze Zellen zu konstruieren. Forschern des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg ist es nun gelungen, künstliche Organellen zu konstruieren und in eine Zelle einzubringen.


Künstliche Proteinfabriken

Organellen übernehmen in normalen Zellen wichtige Aufgaben. So fungieren die Ribosomen etwa als „Proteinfabriken“ der Zelle. Forscher rund um Christopher Reinkemeier wollten die natürliche Funktionspalette von Zellen mit Hilfe von künstlichen Organellen erweitern. Zu diesem Zweck schufen sie ein biochemisches System, das ähnlich wie die natürlich vorkommenden Ribosomen funktioniert und aus Aminosäuren Proteine zusammensetzen kann. Die künstliche Proteinfabrik besteht aus einem mehrteiligen Komplex, von dem ein Teil dafür verantwortlich ist, Abschnitte der sogenannten mRNA (Boten-RNA) in Bauanleitungen für Proteine aus nicht natürlich vorkommenden Aminosäuren zu übersetzen. Die weiteren Komponente des Komplexes sind dann für die Herstellung dieser Proteine verantwortlich. „Unser Organell kann dadurch Proteine aus synthetischen Aminosäuren herstellen. Wir sind damit nicht mehr auf die 20 natürlich in unseren Zellen vorkommenden angewiesen„, so Gemma Estrada Girona, die an der Studie beteiligt war.


Forscher erweitern Säugetierzellen

Um das künstliche Organell zu erproben, schleusten die Forscher dieses in Säugetierzellen ein, um herauszufinden, wie gut sie in der Zellkultur arbeiten konnten. Um den synthetischen Organellen den Zugang zur mRNA der Zelle sowie den im Zellplasma befindlichen Aminosäuren zu ermöglichen, haben die Forscher sich einer Idee aus der Evolution bedient. Eukaryotische Zellen besitzen Organellen, die von NAtur aus keine eigene Membran besitzen und dennoch funktionell getrennte Einheiten darstellen. Dies wird durch spezielle chemische Eigenschaften der Organellen ermöglicht. Mit Hilfe einer Phasentrennung und einer Konzentration der zugehörigen Komponenten an einer Stelle im Plasma erreichen die Organellen in eukaryotischen Zellen eine funktionelle Abtrennung in der Zelle. Dieses Prinzip hat sich auch Reinkemeiers Team zunutze gemacht. „Das Innovative daran ist, dass die neuen Funktionalitäten dadurch nur in einem eng begrenzten Raum – einem Organell – ablaufen und so die restliche Zellmaschinerie kaum stören„, so Girona.

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Technologie wirft ethische Fragen auf

Das Experiment der Forscher stellt das erste mal dar, dass es gelingt, Säugetierzellen mit synthetischen Organellen zu ergänzen. Die Forscher betonen, dass es durchaus auch möglich wäre, entsprechende Organellen herzustellen, die andere Aufgaben als die Herstellung von Proteinen erfüllen. So wäre es etwa denke, in den Zellen fluoreszierende Moleküle zu produzieren.

Nun arbeitet das Team daran, ihre Technologie zu verbessern, sodass in Zukunft auch komplexere Organellen hergestellt werden können. Allerdings sind derartige Eingriffe in die Grundstrukturen biologischen Lebens umstritten. Es stellen sich diverse ethische Fragen, die in Zukunft wohl geklärt werden müssen, um einen einwandfreien ethischen Umgang mit derartigen Technologien zu ermöglichen.
via EMBL

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