Es gibt zwei Arten von »kompostierbar«: Einige Materialien, wie zum Beispiel Biopolymere aus Milcheiweiß und Stärke, lassen sich nur in industriellen Anlagen unter hohem Temperatureinsatz zersetzen. Andere wiederum wirft man auf den Komposthaufen und der Abbau beginnt von selbst. Die neuen österreichischen Leiterplatten aus Pilzmycel gehören nicht nur zu den letztgenannten kompostierbaren Stoffen, sie haben ihre Funktionsfähigkeit auch schon in der Praxis erwiesen. Somit handelt es sich bei dem innovativen Material um die nachhaltigste Lösung, die es in diesem Bereich je gab.


Leiterplatten aus kompostierbaren Pilzen: Warum nicht?

Ein Baumpilz liefert das Leiterplattenmaterial

Normalerweise nutzen Chiphersteller Kunststoffe oder Silizium für ihre Leiterplatten. Aufgrund der großen Mengen produzierter Chips hat das großen Einfluss auf unsere Umwelt, beide Materialien sind schwer recyclebar und schon gar nicht kompostierbar. Das Ergebnis: Müllberge. Die neue ökologische Alternative startet zunächst mit Buchenspänen, Dinkelvollkornmehl, Gips und Wasser, einer Mischung, in der sich bestimmte Pilze rundum wohlfühlen. Darum wuchert in dem Mix auch wunderbar der Baumpilz Ganoderma lucium, zu deutsch Glänzender Lackporling.

Geringer Energie- und Wasserbedarf bei der Produktion

Das österreichische Forscherteam an der Johannes-Kepler-Universität (JKU) in Linz, das sich um Doris Danninger schart, hat das Gemisch mitsamt Pilz in eine Plastikbox gefüllt und es eine Weile dunkel gelagert. Nach ein paar Wochen war das Mycel ordentlich gewuchert und hatte eine weiche, papierähnliche Schicht Hautschicht gebildet. Diese weiße bis leicht bräunliche Haut zogen die Forscher ab, trockneten und pressten sie, um sie anschließend passend zuzuschneiden. Der Energie- und Wasserbedarf falle dabei sehr viel geringer aus als bei den regulären Produktionsmethoden von Leiterplatten, betonte Danninger. Das gelte auch für Baumwolle und Papier.


Extrem hitzebeständig – keine Flammschutzmittel nötig

Der Bericht zu diesem Projekt ist im Wissenschaftsjournal Science Advances nachzulesen. Die Pilzleiterplatten lassen sich problemlos nach bekanntem Muster bestücken, die Industrie benötigt keine neuen Anlagen dafür. Zuerst wird eine hauchdünne Gold- oder Kupferbeschichtung aufgebracht, die der Lasercutter dann zu Leiterbahnen zurechtschneidet. Darauf lötet der Chiphersteller seine elektronischen Bauteile. Erste Funktions- und Belastungstests fielen positiv aus, so lässt sich das Material beispielsweise über 2000 Mal biegen, ohne dass die Leiterbahnen Schaden nehmen – und Temperaturen von bis zu 250 Grad Celsius sind auch kein Problem.

Bisher einziger Nachteil: Mehrlagige, besonders feine und komplexe Strukturen sind derzeit noch nicht möglich. Die Forscher nehmen das als Hausaufgabe mit und feilen weiter an ihrer Erfindung.

Quelle: sueddeutsche.de

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