Die Debatte um die zukünftige Energieversorgung ist seit Jahren geprägt von einem Spannungsfeld aus Klimaschutz, Versorgungssicherheit und technischer Machbarkeit. Während erneuerbare Energien weltweit ausgebaut werden, bleibt die Frage ungelöst, wie abgelegene Regionen, kritische Infrastrukturen oder temporäre Einsatzorte zuverlässig und emissionsarm mit Strom versorgt werden können. Genau an dieser Schnittstelle rücken neue Konzepte der Kernenergie in den Fokus, die sich deutlich von klassischen Großkraftwerken unterscheiden. Besonders sogenannte Mikroreaktoren, kompakte Kernreaktoren mit vergleichsweise geringer Leistung, gelten als möglicher Baustein für eine flexible und dezentrale Energieversorgung. Ein Unternehmen, das diese Entwicklung maßgeblich vorantreibt, ist das US-Startup Radiant Nuclear, das mit ambitionierten technischen Plänen und umfangreichen Investitionen derzeit zu den sichtbarsten Akteuren in diesem jungen Technologiefeld zählt.


Bild: Radiant Nuclear

Transportabler Reaktor: Mehr Flexibilität bei hoher Leistung

Radiant Nuclear entwickelt mit dem sogenannten Kaleidos-Reaktor einen nuklearen Mikroreaktor, der eine elektrische Leistung von rund einem Megawatt liefern soll. Damit bewegt sich das System bewusst unterhalb klassischer Kraftwerksdimensionen und zielt auf Anwendungen, bei denen kompakte Bauweise, schnelle Einsatzbereitschaft und kontinuierliche Stromerzeugung entscheidend sind. Der Reaktor ist so konzipiert, dass er vollständig in einer Fabrik gefertigt, getestet und anschließend als geschlossene Einheit an seinen Einsatzort transportiert werden kann.

Technisch setzt Radiant auf einen gasgekühlten Reaktortyp, der mit Helium betrieben wird und TRISO-Brennstoff verwendet. Dieser Brennstoff besteht aus winzigen, mehrfach beschichteten Uranpartikeln, die selbst bei hohen Temperaturen ihre strukturelle Integrität behalten. Das Sicherheitskonzept beruht darauf, dass der Reaktor ohne aktive Kühlsysteme auskommt und sich im Störfall physikalisch selbst stabilisiert. Nach mehreren Jahren Betrieb soll das gesamte Modul zur Wartung und Neubestückung in die Produktionsanlage zurückgeführt werden. Radiant-CEO Doug Bernauer beschreibt den Ansatz als „einen Reaktor, der wie ein industrielles Produkt gebaut und betrieben wird, nicht wie ein individuelles Bauprojekt“.


300 Millionen Dollar für Radiant Nuclear

Im Dezember 2025 konnte Radiant Nuclear eine weitere große Finanzierungsrunde abschließen und dabei rund 300 Millionen US-Dollar einwerben. Die Bewertung des Unternehmens stieg damit auf etwa 1,8 Milliarden US-Dollar. Zu den Investoren zählen namhafte Risikokapitalgeber ebenso wie strategische Partner aus dem Energie- und Technologiesektor. Bereits zuvor hatte Radiant mehrere Finanzierungsrunden erfolgreich abgeschlossen, was das anhaltende Interesse an kompakten Nuklearlösungen widerspiegelt.

Mit dem frischen Kapital plant das Unternehmen den Aufbau einer Produktionsstätte im US-Bundesstaat Tennessee. Dort sollen ab der zweiten Hälfte des Jahrzehnts serienmäßig Mikroreaktoren gefertigt werden. Perspektivisch ist eine Jahresproduktion von mehreren Dutzend Einheiten vorgesehen. Die industrielle Fertigung gilt als zentraler Baustein des Geschäftsmodells, da sie Kosten senken und Genehmigungsprozesse vereinfachen soll. Radiant-Mitgründer:innen betonen, dass Standardisierung entscheidend sei, um Kerntechnik aus der Nische individueller Großprojekte herauszuführen und wirtschaftlich konkurrenzfähig zu machen.

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Mini-Reaktoren sollen fossile Brennstoffe ersetzen

Die angestrebten Einsatzgebiete der Mikroreaktoren liegen vor allem dort, wo heutige Lösungen auf fossilen Brennstoffen beruhen. Dazu zählen abgelegene Gemeinden, Industrieanlagen ohne stabile Netzanbindung, militärische Stützpunkte oder Katastrophengebiete. Ein einzelner Reaktor könnte den Strombedarf mehrerer tausend Haushalte decken oder als dauerhafte Energiequelle für Rechenzentren und kritische Infrastruktur dienen. Bernauer verweist darauf, dass Mikroreaktoren vor allem dort sinnvoll seien, „wo Zuverlässigkeit wichtiger ist als maximale Leistung“.

Gleichzeitig wirft die Technologie grundlegende Fragen auf, etwa zur Regulierung, zur gesellschaftlichen Akzeptanz und zur sicheren Einbindung in bestehende Energiesysteme. Zwar unterscheiden sich Mikroreaktoren technisch deutlich von klassischen Kernkraftwerken, sie unterliegen jedoch denselben grundsätzlichen sicherheitspolitischen und rechtlichen Anforderungen. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob es gelingt, diese Hürden zu überwinden und die Systeme in der Praxis zu etablieren. Die jüngsten Investitionen deuten jedoch darauf hin, dass ein wachsender Teil der Energiebranche in kleinen Reaktoren eine ernstzunehmende Ergänzung zukünftiger Energiestrategien sieht.

 

via TechCrunch

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