Forschung an menschlichen Stammzellen ist moralisch wie ethisch schwer umstritten. Aber in derartiger Forschung liegt die Antwort auf viele Fragen sowie das Potential, Krankheiten zu heilen, die heute als unheilbar gelten. Ein Wissenschaftlerteam des Salk Institute for Biological Studies ist nun praktisch aus Zufall über eine neue Art der Stammzellen gestolpert.


Entdeckung der Stammzellen aus Zufall

Das Forscherteam wollte menschliche pluripotente Stammzellen in Mäuse einpflanzen. Zu diesem Zweck haben sie eine Stammzellenkultur in einer Nährlösung mit verschiedenen Nährstoffen und Chemikalien wachsen lassen – eine in der Wissenschaft völlig übliche Methode. Eine der Kulturen erwies sich als besonders ergiebig: Die in ihr entstehenden Stammzellen wuchsen und vermehrten sich in bisher nicht gesehener Geschwindigkeit. Nach einer genaueren Untersuchung stellte sich heraus, dass es sich um eine bisher nicht bekannte Stammzellenart handelt, deren Metabolismus und Genexpression von den bekannten Stammzellenarten abweicht.


Diese neu entdeckte Stammzellen haben Eigenschaften, die sie nahezu perfekt für die Nutzung in Laborversuchen machen. Sie vermehren sich äußerst effizient, sind sehr stabil und weisen eine leicht modifizierbare Genstruktur auf. Bisher waren Stammzellen, die in einem Labor gezüchtet werden, eher instabil und solchen, die direkt aus menschlichen Körpern extrahiert wurden, deutlich unterlegen.

Neue Stammzellen sind wählerisch

Der erste Versuch, diese neu entdeckten Stammzellen in einen Maus-Embryo einzubringen, schlug jedoch fehl. Es stellte sich heraus, dass die Zellen ein wenig wählerisch sind, wenn es darum geht, an welcher Stelle sie in den Embryo injiziert werden. Nachdem diese Stelle identifiziert war, verliefen die Versuche allerdings erfolgreich. Aufgrund der Abhängigkeit von einem “perfekten” Injektionsort wurden die Stammzellen auf den Namen “region-selective pluripotent stem cells” (rsPSCs) getauft.

In Zukunft: Menschliche Organe in Tieren züchten

Das Einbringen der Stammzellen in die Embryonen von Mäusen ist ein respektables Zwischenziel, aber nicht vergleichbar mit dem Plan, den das Team letztlich verfolgt: Die Wissenschaftler möchten voll ausgebildete menschliche Organe in Tieren züchten, um sie dann für die Transplantationsmedizin zu verwenden.

Dies wird durch den sogenannten Knockout-Genersatz erreicht. Ein Beispiel: Durch das Einbringen artifizieller DNA in einen Schweineembryo wird die Gensequenz ausgeschaltet (“ausgeknockt”), die für die Bildung der Bauchspeicheldrüse verantwortlich ist. Danach werden Stammzellen der menschlichen Bauchspeicheldrüse in den Embryo eingebracht. Während der Entwicklung des Tieres wächst diesem dann eine menschliche Bauchspeicheldrüse. Ähnliche Experimente wurden kürzlich von einem chinesischen Wissenschaftler auf einer Konferenz in Bonn vorgestellt.

Grenzverschiebungen in der Wissenschaft

Derartige Versuche verschieben ohne Zweifel ethische Grenzen. Von Tierschutzfaktoren (in der Regel überleben die sogenannten Schimären die Transplantation nicht) bis hin zu den allgemeinen Bedenken bezüglich Experimenten mit humanen Stammzellen gilt es Vieles zu bedenken. Auf der anderen Seite bieten die Experimente, die momentan weltweit in diese Richtung durchgeführt werden, enormes Potential für die Transplantationswissenschaft. Mit Schimären könnte der weltweiten Organknappheit ein Ende bereitet werden. Fälle wie der erst kürzlich in Deutschland mit einem Freispruch für den Göttinger Arzt Amin O. beendete Organspendeskandal, der auch zu einer Änderung des Transplantationsgesetzes geführt hat, würden dann der Vergangenheit angehören.

Juan Carlos Izpisua Belmonte vom Salk Institute äußerte sich zu der ethischen Problematik wie folgt: “Of course, the ethical implications behind creating a human-animal chimera for the purpose of obtaining human tissues and organs to save lives of millions need to be carefully evaluated.

Bevor wir wirklich anfangen, menschliche Organe in Tieren zu züchten und zu transplantieren, sind noch eine Menge Diskussionen in der Medizinethik zu führen.

Neben den ethischen Problemen müssen auch medizinische überwunden werden: Es liegt im Bereich des Möglichen, dass das Immunsystem der Tiere die in ihnen heranwachsenden fremden Organe abstößt. Außerdem könnten sich die Tiere und die menschlichen Organe unterschiedlich schnell entwickeln.

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