In den letzten Monaten wurde die durch das Virus SARS-CoV-2 ausgelöste Krankheit Covid-19 immer weiter erforscht. Dabei kommen auch immer mehr Spätfolgen ans Tageslicht. Zu diesen gehört nun offenbar auch Diabetes. Dies legt zumindest der Fallbericht eines jungen Mannes nahe, der einige Wochen nach einer eher mild verlaufenen Covid-19-Erkrankung einen Diabetes Typ 1 entwickelte. Eine Häufung von Fällen bei Covid-Patienten deutet darauf hin, dass das Virus die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse schädigen kann.


Greift Corona die Inselzellen an?

Diabetes Typ 1 ist – im Gegensatz zum Typ 2 – eine Autoimmunerkrankung. Der Körper bildet in diesem Fall Antikörper gegen die Zellen der Bauchspeicheldrüse, die Insulin produzieren, woraufhin das Immunsystem diese Zellen zerstört. Der Körper kann dann kein Insulin mehr produzieren und somit auch den Blutzuckerspiegel nicht mehr vernünftig regulieren. Im Normalfall handelt es sich bei Diabetes Typ 1 um eine Erkrankung, die sich bereits in jungen Jahren manifestiert. Typ-1-Diabetes gilt als teilweise angeboren und genetisch bedingt. Aber auch bestimmte Viruserkrankungen stehen im Verdacht, beim Auftreten in den ersten Lebensmonaten die Entwicklung eines Typ-1-Diabetes begünstigen zu können.


Scheinbar kann auch das Virus SARS-CoV-2 einen Diabetes verursachen. Chinesische Ärzte rund um Jin-Kui Yang vom Beijing Tongren Hospital berichteten, dass von 120 Covid-19-Patienten mit schwerem Verlauf etwa die Hälfte Störungen des Blutzucker-Haushaltes und einen Diabetes entwickelten.

Mehrere Studien konnten außerdem zeigen, dass auch die insulienproduzierenden Inselzellen der Bauchspeicheldrüse den ACE2-Rezeptor besitzen. Dabei handelt es sich um die Stelle, an der das Coronavirus sich an die Zellen bindet, um in sie einzudringen. „ Dies wird gestützt durch eine aktuelle Studie, die demonstrierte, dass die Zellen der Bauchspeicheldrüse von Erwachsenen anfällig für die Infektion durch SARS-CoV-2 sind„, so berichten Forscher rund um Tim Hollstein vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel. „ Von SARS-CoV-1, dem Vorgänger von SARS-CoV-2, weiß man, dass er die Inselzellen schädigen kann und Diabetes in Menschen verursacht„, so die Forscher weiter.

Diabetes aus dem Nichts

Ein Fallbericht von Hollstein und seinem Team untermauert den Zusammenhang zwischen SARS-CoV-2 und Diabetes Typ 1. Dabei berichten die Forscher von einem 19-jährigen Mann, der mit Erschöpfung, Gewichtsverlust und anomal starkem Durst in der Notaufnahme der Uniklinik vorstellig wurde. Die Analyse von Blutproben zeigte die Marker einer schweren Diabetes, weshalb Diabetes-Typ-1 vermutet wurde. Jedoch hatte der junge Mann vorher nie Anzeichen einer Diabetes-Erkrankung gezeigt, und auch Genanalysen zeigten keine Hochrisikofaktoren. Sein Erbgut enthielt lediglich eine Genvariante, die mit einem leicht erhöhten Diabetes-Risiko einhergeht. Der Patient hatte auch keine Antikörper gegen die Inselzellen im Blut – vollkommen entgegen der Erwartungen der Ärzte.

Die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse des Mannes waren dennoch schwer geschädigt. Die Anamnese ergab, dass der Patient sich vor einigen Wochen in Österreich mit SARS-CoV-2 infiziert hatte. Die Infektion verlief symptomlos, konnte jedoch später durch einen Antikörpertest nachgewiesen werden. Die Ärzte kamen aufgrund des zeitlichen Verlaufs zu dem Schluss, dass die Infektion zu dem Diabetes geführt hat. „ Wir gehen davon aus, dass das SARS-CoV-2-Virus hier selbst die Betazellen angegriffen hat„, so Hollsteins Kollege Matthias Laudes.

Auffallend ist, dass dieser Zusammenhang offenbar auch bei einem asymptomatischen Verlauf der SARS-CoV-2-Infektion bestehen kann. „ Wir vermuten, dass die SARS-CoV-2-Infektion die Funktion der Bauchspeicheldrüse beeinträchtigen kann – möglicherweise durch eine direkte Wirkung des Virus auf die Inselzellen. Diabetologen sollten daher die Möglichkeit eines insulin-pflichtigen Diabetes als akute Komplikation bei Patienten mit einer Coronavirus-Infektion in Betracht ziehen„, schließen die Forscher.

via UKSH

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