Der Mensch nimmt den benötigten Sauerstoff zum größten Teil über die Lunge auf. In der Tierwelt gibt es aber auch zahlreiche andere Ansätze. Seegurken beispielsweise atmen über ihren Darm. Auch bei Säugetieren ist dies grundsätzlich möglich. Dies hat nun ein Forscherteam der medizinischen Universität Tokio mithilfe von Tierversuchen nachgewiesen. So arbeiteten die Forscher zunächst mit zwei Gruppen von Mäusen. Die eine Hälfte der Tiere wurde in einer Umgebung mit extrem geringer Sauerstoffsättigung platziert. Das Ergebnis: Nach elf Minuten waren alle Mäuse Tod. Bei der anderen Hälfte wurde daher zunächst die Darmschleimhaut entfernt. Anschließend kam ein eigens entworfenes rektales Beatmungsgerät zum Einsatz. Das Ergebnis: Drei Viertel der Tiere überlebten trotz der geringen Sauerstoffsättigung mindestens 50 Minuten. Offensichtlich haben die Tiere den benötigten Sauerstoff also über den Darm aufgenommen.


Das Herz der Mäuse wurde besser mit Sauerstoff versorgt

Allerdings hat die Darmschleimhaut natürlich eigentlich eine schützende Funktion. Sie einfach zu entfernen, ist daher keine so gute Idee. Deswegen entwickelten die Forscher noch einen zweiten Ansatz. Dabei nutzten sie die Substanz Perflunafen und mischten diese mit Sauerstoff. Diesmal wurden die Mäuse in einer Umgebung ausgesetzt, in der die Sauerstoffsättigung niedrig aber nicht tödlich war. Einem Teil der Tiere wurde dann die Perflunafen-Sauerstoff-Mischung in den Darm gespritzt. Das Ergebnis: Die Tiere mit der flüssigen rektalen Beatmung bewegten sich mehr. Außerdem konnte nachgewiesen werden, dass das Herz besser mit Sauerstoff versorgt wurde. Anschließend wurden ähnliche Versuche auch noch bei Schweinen durchgeführt. Auch hier erzielten die Forscher jeweils die gewünschten Ergebnisse. Nebenwirkungen traten bei beiden Säugetierarten nicht auf. Dies spricht dafür, dass der Ansatz auch zur Entwicklung neuer medizinischer Lösungen genutzt werden könnte.


Grundsätzlich könnten auch Menschen so mit Sauerstoff versorgt werden

Denn die Forscher haben den Grad der Sauerstoffversorgung, der bei den Tieren über den Darm erreicht wurde, auch einmal hypothetisch auf den Menschen umgerechnet. Demzufolge würde die Menge vermutlich ausreichen, um auf diese Art und Weise Menschen mit schwerer Atemnot zu behandeln. Um diese Theorie näher zu überprüfen, wollen die Forscher daher zeitnah klinische Studien mit menschlichen Probanden durchführen. Theoretisch könnte die rektale Beatmung beispielsweise zur Behandlung von Covid-19-Patienten eingesetzt werden. Bevor allerdings tatsächlich entsprechende Methoden beim Menschen zum Einsatz kommen können, sind zunächst noch umfangreiche Tests nötig. So muss unter anderem untersucht werden, wie sich die unerwartete Sauerstoffzufuhr auf die Mikroorganismen im Darm auswirkt. Experten gehen daher davon aus, dass zunächst noch einige Jahre an intensiver Forschungsarbeit nötig sind. Dann aber könnte der Ansatz Menschen mit schwerer Atemnot helfen.

Via: Economist

1 Kommentar

  1. Martin Herms

    19. Mai 2021 at 13:23

    Eine neu in einer Studie der Transplantationsmedizin eingesetzte Methode ist das Wattwurm-Hämoglobin – die Forschung zur Sauerstoffaufnahme sollte man koppeln und statt Perflunafen alternativ mal das Wattwurm-Hämoglobin prüfen.

    siehe Artikel: https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/w-wie-wissen/wattwurmblut-100.html

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