Eigentlich sollten die Landstreitkräfte der Bundeswehr längst mit digitalen Funkgeräten ausgestattet sein. Doch die Beschaffung verzögerte sich immer wieder. Die Gründe dafür sind vielfältig und teilweise in den komplizierten Strukturen der Verwaltung zu suchen. Offensichtlich hat das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr nun den Glauben daran verloren, dass eine Umrüstung zeitnah geschehen wird. Stattdessen haben die Beamten sich für eine Übergangslösung bis in das Jahr 2035 entschieden. Diese allerdings ist einigermaßen kurios. Denn in den meisten Fahrzeugen der Landstreitkräfte befinden sich noch immer die Standardfunkgeräte SEM 80/90 aus den 1980er Jahren. Entwickelt wurden diese von der Firma Standard Elektrik Lorenz, die inzwischen vom französischen Rüstungskonzern Thales aufgekauft wurde. Der Clou: Weil hier das Beschaffungsverfahren bereits abgeschlossen wurde, können die Geräte gekauft werden, ohne dass eine neue Ausschreibung fällig wird.


Unter anderem die deutschen Marder-Panzer benötigen die „neuen“ Funkgeräte. Bild: Sonaz, CC BY-SA 2.0 DE <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/de/deed.en>, via Wikimedia Commons

Für den Thales-Konzern ist der Auftrag extrem lukrativ

Genau dies soll nun geschehen. Der deutsche Ableger des Thales-Konzern soll innerhalb der nächsten zwei Jahre einen Prototypen für einen „neuen“ SEM 80/90 entwickeln. Die Aufgabe dürfte allerdings nicht besonders spannend sein. Denn die neuen Geräte müssen über die selbe Größe und die selben Anschlüsse wie die alten verfügen. Außerdem darf es keine technischen Veränderungen geben, weil sonst doch eine neue Ausschreibung nötig wäre. Mit anderen Worten: Die Thales-Ingenieure sollen die Funkgeräte aus den 1980er Jahren mehr oder weniger exakt nachbauen. Dies erscheint auf den ersten Blick ziemlich unsinnig, ist für das Unternehmen aber ein lukratives Geschäft. Denn die Funkgeräte sollen zum Stückpreis von 20.000 Euro verkauft werden. Der Bedarf der Bundeswehr wiederum wird auf rund 30.000 Geräte geschätzt. Damit ergäben sich Kosten in Höhe von 600 Millionen Euro für Funkgeräte, die bewusst auf dem technischen Stand der 1980er Jahre verbleiben müssen.

Die Originalgeräte gehen nach und nach kaputt

Diese Summe wiederum ist kein gutes Zeichen für die Pläne zur Digitalisierung des Funkverkehrs der Bundeswehr. Denn man würde wohl kaum so viel Geld investieren, wenn man davon ausginge, dass hier zeitnah eine Umrüstung stattfinden wird. Vielmehr scheint man zumindest in den nächsten fünfzehn Jahren nicht mit großen Fortschritten zu rechnen. Bis dahin ganz auf neue Funkgeräte zu verzichten, ist aber auch keine Lösung. Denn im Laufe der vergangenen vierzig Jahre sind zahlreiche der Originalgeräte schlicht kaputt gegangen. Diese müssen ersetzt werden. Die deutsche Bundeswehr ist allerdings nicht die einzige Armee in Europa, die bei der Digitalisierung nicht immer auf dem neuesten Stand unterwegs ist. Das österreichische Bundesheer beispielsweise nutzte noch Windows XP als Microsoft längst den Support eingestellt hatte. Teilweise sollen dabei auch schlicht Raubkopien genutzt worden sein, weshalb man eine millionenschwere Nachzahlung leisten musste.


Via: Der Standard

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