Die DNA in unseren Zellen bestimmt über unser Aussehen, unsere Gesundheit und teilweise auch unsere geistigen Fähigkeiten und unser Wesen. Vor 20 Jahre wurde dieser genetische Code durch das Humangenomprojekt entschlüsselt. Nun haben Forscher ein neues, bessere Bild der genetischen Vielfalt unserer Spezies gewonnen – verantwortlich dafür sind 64 neue Referenzgenome, die auch Strukturvarianten umfassen, die mit der damaligen Technik nicht gefunden werden konnten. Diese Referenzgenome geben unter anderem Aufschluss darüber, welche Genanteile ein Mensch von seinen Eltern geerbt hat.


Bild: University of Washington / David Porubsky

Gängige Verfahren zur Genanalyse stoßen an ihre Grenzen

20 Jahre ist es inzwischen her, dass Forscher im Rahmen des Humangenomprojekts den genetischen Code der Menschheit lesen konnten. Damals nahmen die Wissenschaftler mehrere DNA-Proben und erstellten ein erstes, unvollständiges Referenzgenom des Menschen. Seit diesem Erfolg wurden unzählige weitere Genome sequenziert.

Allerdings werden bei den gängigen Verfahren der DNA-Analyse kurze, nur etwa hundert Basenpaare lange Fragmente ausgelesen und anschließend anhand eines Referenzgenoms wieder zusammengesetzt werden. Auf diese Weise sind wiederholte Basenabfolgen oder größere Veränderungen kaum zu erfassen. In jüngerer Vergangenheit wurden jedoch neue Sequenziermethoden entwickelt, die diese Schwächen nicht aufweisen.


Die erste menschliche Genomsequenz war ein großer Schritt nach vorn, aber sie war unvollständig. Neben der Variation einzelner Basen wissen wir heute, dass auch strukturelle Varianten ganz wesentlich zu den genomischen Unterschieden zwischen Individuen beitragen“, so Charles Lee vom Jackson Laboratory for Genomic Medicine. „ Diese Varianten beeinflussen die Genfunktion und können zu Krankheiten, Unterschieden im Ansprechen auf Medikamente und mehr beitragen. Zu wissen, wie sie sich bei Individuen und in verschiedenen Populationen unterscheiden, ist notwendig, um eine effektivere genomische Medizin zu implementieren“, erklärt Lees Kollegin Qihui Zhu.

Neue Technologien führen zu neuen Erkenntnissen

Ein internationales Forscherkonsortium rund um Peter Ebert von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat nun einen wichtigen Beitrag zu diesem Wissen geleistet. Mit ihrer neuen Sequenziermethode konnten die Forscher neue, genauere Referenzgenome des Menschen erstellen. Die nötige DNA gewannen sie von 32 Menschen aus verschiedenen Teilen unseres Planeten, die zu insgesamt 25 Populationsgruppen gehören.

Die Forscher unterzogen das Erbgut einer Long-Read-Genomanalyse und sequenzierten gleichzeitig den väterlichen und mütterlichen Erbgutanteil getrennt. In jeder Zelle trägt ein Mensch 23 Chromosomenpaare. In jedem dieser Paare kommt jeweils ein Chromosom vom Vater und eines von der Mutter.

Für jedes menschliche Individuum, das an der Studie teilgenommen hat, haben wir nicht ein, sondern zwei Genome identifiziert – eines für jeden Chromosomensatz. Bisher konnten wir nicht unterscheiden, ob die genetische Variation von dem einen oder dem anderen Chromosomensatz stammt. Dies konnten wir nun dank der Fortschritte des Konsortiums lösen“, so Jan Korbel vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL).

64 neue Referenzgenome decken unbekanntes Wissen auf

So gewannen die Forscher 64 neue Referenzgenome, die einen umfassenderen Blick auf die genetischen Unterschiede zwischen den verschiedenen menschlichen Populationen ermöglichen. Außerdem können so auch genetische Unterschiede zwischen Individuen und auch den Genanteilen innerhalb einer Person betrachtet werden. In ersten Vergleichen der Referenzgenome wurden etwa 107.500 Strukturvarianten gefunden, von denen 68 Prozent noch unbekannt waren.

Die Referenzgenome bestätigen offenbar auch, dass die Wiege der Menschheit in Afrika liegt. Dort sind die Genome in Bezug auf ihre Strukturvarianten am ähnlichsten, sodass eine Herkunft aus einem gemeinsamen ursprünglichen Genpool vermutet werden kann. „ Unsere Ergebnisse zeigen klar, dass das aus Afrika stammende Erbgut das tiefste Reservoir noch unerforschter genetischer Strukturvarianten umfasst“, so Ebert und seine Kollegen.

In den meisten anderen Populationen erzählen die Genome eine Geschichte von WAnderungen und Vermischungen. Besonders vielfältig waren die Kombinationen von Strukturvarianten im Falle von Afro-Amerikanern, was die Forscher auf den transatlantischen Sklavenhandel sowie die Migration in der Kolonialzeit zurückführen.

Neue Ära in der Genforschung?

Die Erforschung und Analyse dieser Referenzgenome hat gerade erst begonnen. Allerdings gehen die Forscher jetzt schon davon aus, dass nun eine neue Ära der Genomforschung beginnt. „ Diese Genome werden den Weg für eine neue Welle wissenschaftlicher Entdeckungen über die Biologie des menschlichen Genoms und den Zusammenhang zwischen genetischer Variation und Krankheit ebnen“, so Bernardo Rodriguez-Martin vom EMBL.

Die Forscher erhoffen sich vom Verständnis der entdeckten Unterschiede deutliche Verbesserungen in der Fähigkeit, genetische Entdeckungen im Zusammenhang imit Gesundheit und Krankheit zu machen.

via Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

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