Auch nach jahrhundertelanger Forschung sind noch nicht alle Funktionsweisen des menschlichen Körpers endgültig entschlüsselt. Mehr noch: Jede neue Entdeckung bringt immer auch neue Fragen mit sich. Ein Beispiel dafür sind die sogenannten primären Cilien. Dabei handelt es sich um winzige Röhrchen, die etwas an Haare erinnern und wenige Mikrometer aus menschlichen Zellen herausragen. Teilweise ist deren Funktion bereits bekannt. So übernehmen sie in den Atemwegen und bei den Spermien Aufgaben im Bereich des Transports. Ebenso sind sie an der Zellteilung beteiligt. Tatsächlich finden sich die primären Cilien aber auch in reifen Gehirnen, wo eigentlich keine Zellteilung mehr stattfindet. Bisher konnte die Forschung die Existenz dort nicht erklären. Klar schien lediglich, dass sie auch dort nicht einfach nur nutzlos in den freien Raum ragen. Erste Antworten lieferte nun ein Forschungsteam des Howard Hughes Medical Institute in Boston.


Bild: HHMI, Sheu et al via Cell

Bisher unbekannte Kontakte wiesen auf neue Funktionen hin

Dort nutzten die Forscher ein sogenanntes Ionenfeinstrahl-Rasterelektronenmikroskop, um sich die Cilien einmal genauer anzusehen. Dabei machten sie eine spannende Entdeckung: Die Cilien ragten nämlich keineswegs einfach nur so in den freien Raum. Stattdessen berührten sie in der weit überwiegenden Zahl der Fälle Axone anderer Zellen. Damit schien klar zu sein, dass hier eine gewisse Form der neuronalen Informationsübertragung stattfindet. Die Forscher nutzten daher verschiedene Biomarker, um mehr über die Strukturen an dieser Kontaktstelle in Erfahrung zu bringen. Das erstaunliche Ergebnis: Die Kontaktstellen wiesen die Merkmale von Synapsen auf. Tatsächlich konnte dann mithilfe der Fluoreszenzlebensdauer-Mikroskopie auch nachgewiesen werden, dass in einigen Fällen der Botenstoff Serotonin von den Axonen auf die Cilien übertragen wurde. Die Forscher sprechen daher von sogenannten axo-ciliären Synapsen, die neben den bereits länger bekannten axo-dendritischen Schaltstellen zu existieren scheinen.

Zahlreiche Fragen sind noch offen

Dies aber wirft die Frage auf, warum es diese zweite besondere Form der neuronalen Informationsübertragung überhaupt gibt. Hier konnten die Forscher nachweisen, dass die neu entdeckte Verbindung tatsächlich zusätzliche Funktionen mit sich bringt. Denn es werden nicht nur elektrische Signale in der Empfängerzelle ausgelöst, sondern es können Veränderungen bis zu den Histonen und am Chromatin im Zellkern herbeigeführt werden. Die Wirkung reicht also weit über die von gewöhnlichen Synapsen hinaus. Es ist so möglich Reize zu übermitteln, die direkte Auswirkungen auf die Genaktivität einer Zelle haben. Weitere Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass auf den Cilien theoretisch noch Rezeptoren für weitere Botenstoffe neben Serotonin vorhanden sind. Bisher konnte eine solche Übertragung aber noch nicht final nachgewiesen werden. Hier sollen nun weitere Forschungen ansetzen. Außerdem ist noch die Frage offen, ob die Cilien möglicherweise auch außerhalb des Gehirns ähnliche Aufgaben übernehmen.


Via: Cell

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