Streptomyceten sind kleine Wunderwerke: Die Bakterien leben hauptsächlich im Boden und zersetzen dort Pflanzenreste. Der typische Waldbodengeruch stammt von dem flüchtigen Geosmin, das die Mikroben produzieren. In der Medizin sind diese Bakterien nicht mehr wegzudenken, ihre artenreiche Gattung stellt ungefähr 70 Prozent unserer Antibiotika her, zum Beispiel Streptomycin und Tetracylin, sowie das bekannte Breitbandantibiotikum Chloramphenicol. Außerdem liefern Streptomyceten Wirkstoffe für viele weitere Arzneimittel, zum Beispiel in der Krebstherapie. Jetzt haben Forscher entdeckt, wie die Bakterien zu wahren Fließbandproduzenten werden: mit Hilfe von Alkohol.


Antibiotika sind lebenswichtig – auch für Bakterien

Alkoholstress versetzt die Mikroben in eine Art Raserei

Die Bakterien produzieren normalerweise nur winzigste Mengen Antibiotika, gerade so viel, wie sie selbst brauchen, um missliebige Rivalen abzutöten. Biotechnologen am Department für Pharmazeutische Wissenschaften der Universität Wien haben nun herausgefunden, dass »Alkoholstress« die Mikroben in eine Art Raserei versetzt. Sie versetzen dafür eine Kultur von Streptomyces venezuelae-Bakterien mit Ethanol und beobachteten, wie sich die Produktion verzigfachte. Außerdem nahmen die Wissenschaftler Einblick in die genetischen Aktivitäten der Mikroben und nahmen ihren Stoffwechsel unter die Lupe. Dabei gerieten drei sogenannte Sigma-Faktoren in ihren Blick, Gene, die sich als Reaktion auf verschiedene Umweltreize an- und ausknipsen können.

Sigma-Faktor-Gene als Grund für die Fließbandproduktion

Das Ausschalten der Sigma-Faktor-Gene hatte zur Folge, dass sich der Output von Chloramphenicol um bis auf das 1700-fache erhöhte. „Offenbar überwacht dieser Sigma-Faktor die Verwendung von Genen, die die Antibiotikaproduktion hemmen“, stellt Teammitglied Sergey Zotchev fest. Die Gene lassen sich nicht nur durch den Stressfaktor Alkohol deaktivieren, die Forscher können sie auch gezielt entfernen. Die Bakterien lassen sich also gezielt auf Höchstleistungen trimmen, keine schlechte Option für Zeiten des Antibiotika- und Arzneimittelmangels. Allerdings steht weiterhin die brennende Frage im Raum, wie lange die antibakteriellen Wirkstoffe uns in Zukunft noch dienlich sind. Die Suche nach Alternativen läuft schon lange.


Die Ergebnisse der Wiener Studie wurden im Fachjournal »Microbiology Spectrum« veröffentlicht.

Quelle: science.orf.at

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