Forscher:innen gelang es erstmals, funktionsfähige weibliche Eizellen aus männlichen Stammzellen von Mäusen zu erzeugen. Diese Eizellen konnten anschließend sogar mit Spermien befruchtet werden, woraufhin gesunde, lebensfähige Mäusebabys entstanden, die rein biologisch betrachtet zwei Väter und keine Mutter hatten. Es könnte sich dabei um einen wichtigen Durchbruch in der Fortpflanzungsmedizin handeln. Ob die Methode auch bei Menschen und anderen Säugetieren funktioniert, muss sich indes erst herausstellen.


Geschlechtsumwandlung bei Zellen

Welches biologische Geschlecht ein Mensch hat, entscheiden, der Name legt es nahe, die Geschlechtschromosomen. Während in weiblichen Zellen ein doppeltes X-Chromosom getragen wird, sind es in männlichen Zellen ein X- und ein Y-Chromosom. Diese genetischen Faktoren beeinflussen nicht nur unser Geschlecht, sondern auch die Frage, ob sich aus Keimzellvorläufern in unseren Geschlechtsorganen männliche Spermien oder weibliche Eizellen entwickeln.


Allerdings ist es möglich, in diesen Entwicklungsprozess durch Biotechnologie einzugreifen. So können etwa Mäuseembryos aus Stammzellen statt aus befruchteten Eizellen oder aus einer manipulierten Stammzelle und einer Keimzelle des selben Geschlechts erzeugt werden.

Ein Team rund um Kenta Murakami von der Universität Kyushu ging nun noch einen Schritt weiter. Die Forscher:innen haben erfolgreich und in einer Weltpremiere das genetische Geschlecht von Stammzellen verändert. Dabei entstanden aus männlichen Keimzellvorläufern weibliche Eizellen. Als Ausgangspunkt nutzte das Team embryonale und induzierte Stammzellen männlicher Mäuse, die dementsprechend ein X- und ein Y-Chromosom trugen.

Bereits in früheren Untersuchungen wurde festgestellt, dass bei der Zucht von Stammzellen in Kulturen Teilungsfehler auftreten können, bei denen im Schnitt ein bis drei Prozent der Zellen mit XY-Chromosomensatz spontan ihr Y-Chromosom verlieren. Murakami und seinen Kolleg:innen gelang es, die Anzahl sogenannte X0-Zellen in ihren Zellkulturen auf bis zu sechs Prozent zu erhöhen, indem sie häufig das Kulturmedium wechselten. Anschließend versetzten die Forscher:innen die Kulturen mit dem Hemmstoff Reversin, dessen Aufgabe es ist, die Kontrollmechanismen zu hemmen, die bei der Zellteilung dafür zuständig sind, dass die Chromosomen korrekt aufgeteilt werden.

Embryos aus umgewandelten Eizellen

Das Ergebnis war, dass in den Stammzellkulturen bis zu 21,5 Prozent Zellen mit zwei X-Chromosomen entstanden – also Zellen, die genetisch betrachtet weiblich waren. „Dieser Ergebnisse demonstrieren, dass man XX-Stammzellen aus Vorläuferzellen mit XY oder X0-Geschlechtschromosomen erzeugen kann, indem man das Y-Chromosom erst entfernt und dann das X-Chromosom verdoppelt„, so die Wissenschaftler:innen.

Allerdings lagen so noch keine befruchtungsfähigen Eizellen vor. Hierfür war noch ein Zwischenschritt nötig. Das Team gab die umgewandelten Stammzellen in Gewebekulturen aus dem Eierstock weiblicher Mäuse. Diese Gewebeart produziert Signalstoffe und Wachstumsfaktoren, mit denen die Differenzierung von Stammzellen zu reifen Eizellen induziert wird. Im Versuch wandelten sich 108 der 349 XX-Stammzellen in reife, weibliche Eizellen um, was nach Angaben der Forscher:innen ein ähnlicher Anteil wie bei gewöhnlichen weiblichen Stammzellen sei.

Durch Befruchtung der umgewandelten Eizellen mit den Spermien männlicher Mäuse entstanden Embryos. Einige dieser Embryos wuchsen nach der Austragung in Leihmüttern zu lebensfähigen und fortpflanzungsfähigen Mäusen heran. Somit gelang es den Forscher:innen erstmals, aus einer rein männlichen Zelllinie Nachkommen beiderlei Geschlechts zu erzeugen. Dies könnte ein wichtiger Schritt sein, wenn es darum geht, durch genetisch bedingte Chromosomenfehler verursachte Unfruchtbarkeit zu überwinden.

Doch damit nicht genug: „Diese Arbeit öffnet die Möglichkeit, gefährdete Säugetierarten aus nur einem einzigen verbleibenden Männchen weiterzuzüchten. Und es könnte sogar dazu beitragen, dass mehr Menschen eigene Kinder bekommen können – darunter gleichgeschlechtliche Paare, Transgender-Menschen und Menschen mit XXY-Gensatz“ so Diana Laird und Jonathan Bayerl von der University of California in San Francisco in einem begleitenden Kommentar.

Einsatz am Menschen?

Ob die an Mäusen gezeigte Methode auch bei anderen Säugetieren und vor allem bei Menschen funktioniert, ist allerdings noch unklar. „Die Machbarkeit einer Anwendung beim Menschen ist offen. Die Schritte, durch die Stammzellen zu reifen Eizellen werden, wurden mit menschlichen Zellen noch nicht verlässlich durchgeführt„, so der Reproduktionsforscher Rod Mitchell von der University of Edinburgh, der nicht an der Studie beteiligt war.

Außerdem müsse die Sicherheit der Verfahren und die Gesundheit der daraus resultierenden Nachkommen genau geprüft und untersucht werden, bevor eine Anwendung beim Menschen überhaupt in Frage komme.

via Nature

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