Lepra ist eine Krankheit, die in Industriestaaten quasi keine Rolle mehr spielt. Betroffene leiden unter schwerwiegenden Hautveränderungen, Lähmungen und neurologischen Schäden. Allerdings haben die Bakterien, die die Krankheit verursachen, möglicherweise auch ein Potential für Anwendungen in der regenerativen Medizin: Dank ihrer Fähigkeit, Wirtszellen genetisch umzuprogrammieren, können sie zur Regeneration der Leber beitragen. Forscher:innen haben diesen Mechanismus nun an Gürteltieren getestet. Langfristig könnten auf dieser Grundlage Therapien für Menschen mit Leberschäden entwickelt werden.


Gürteltiere mit Lepra-Infektion

Lepra ist eine der ältesten bekannten Krankheiten der Welt. Im Mittelalter war sie in Europa weit verbreitet. Heutzutage ist sie vor allem in Ländern wie Brasilien, Indien und Indonesien anzutreffen. Sie wird von dem Mycobacterium lepra verursacht, das sich vor allem unter schlechten Hygienebedingungen verbreitet. Bei rechtzeitiger medikamentöser Therapie mit Antibiotika kann das Bakterium allerdings auch gut bekämpft werden. Wird es nicht behandelt, nistet es sich in den infizierten Zellen ein und verändert diese. Die Folge davon sind im fortgeschrittenen Stadium unter anderem die auffälligen Hautgeschwülste, die für die Krankheit typisch sind.


Allerdings könnte diese Fähigkeit, Wirtszellen zu verändern, auch medizinische Anwendungsfälle eröffnen. Scheinbar sorgen die Lepra-Bakterien dafür, dass die Leber wächst und während dieses Wachstums seine gesunde Struktur beibehält. Ein Team rund um Samuel Hess von der University of Edinburgh in Schottland hat diesen Mechanismus nun an Gürteltieren (Dasypus novemcinctus) nechgewiesen. Bei diesen Tieren handelt es sich um einen natürlichen Wirt des Lepra-Bakteriums.

Für ihren Versuch infizierten die Forscher:innen 32 für Lepra anfällige erwachsene Gürteltiere mit dem Bakterium. Zwölf nicht infizierte Tiere sowie 13 gegen Lepra resistente Gürteltiere, die infiziert wurden, bei denen sich das Bakterium aber nicht ausbreiten konnte, fungierten als Kontrollgruppe. „Im Vergleich zu nicht infizierten und resistenten Tieren vergrößerte sich die Leber bei den infizierten Gürteltieren innerhalb von zehn bis 30 Monaten deutlich„, berichteten die Wissenschaftler:innen über ihre Ergebnisse.

Lepra regt das Leberwachstum an

Die vergrößerten infizierten Lebern hatten eine intakte Architektur und Gefäßorganisation ohne Schäden, Narbenbildung oder Tumore„, so die Forscher:innen weiter. In Zellanalysen konnte das Team zeigen, dass die Infektion in der Leber der Tiere Genexpressionsmuster aktivierte, die denen ähnelten, die bei sehr jungen Tieren auftreten und den Stoffwechsel, das Wachstum und die Zellvermehrung des Organs anregen. Gleichzeitig wurden Expressionsmuster, die mit der Alterung der Leber zusammenhängen, herunterreguliert oder unterdrückt.

Die Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass die Bakterien die Leberzellen umprogrammieren und sie in das Stadium ihrer Vorläuferzellen zurückversetzen. Aus diesen Vorläuferzellen entstehen dann wiederum neue Leberzellen und neues Lebergewebe. „Wenn wir herausfinden können, wie Bakterien die Leber als funktionelles Organ züchten, ohne bei lebenden Tieren schädliche Auswirkungen zu verursachen, können wir dieses Wissen vielleicht nutzen, um sicherere therapeutische Maßnahmen zur Verjüngung alternder Lebern und zur Regeneration geschädigter Gewebe zu entwickeln„, so Anura Rambukkana, der an dem Experiment beteiligt war.

Chance für Leberkranke?

Aktuell sind Lebererkrankungen jährlich für etwa zwei Millionen Todesfälle jährlich verantwortlich. Oft gibt es nur noch einen Weg, Betroffene zu retten: Eine Lebertransplantation. Wie alle Organtransplantationen ist das Problem dabei der Mangel an geeigneten Spenderorganen.

Gäbe es eine Möglichkeit, die Lepra-Bakterien zu nutzen, um die Leberreste eines Leberkranken wieder zu einem gesunden Organ heranwachsen zu lassen, ließen sich viele dieser Todesfälle verhindern. Das Bakterium könnte vielversprechende Ansätze für die regenerative Medizin eröffnen. Allerdings kommt es natürlich nicht in Frage, Leberkranke mit Lepra zu infizieren – die Nebenwirkungen (also konkret die Lepra-Infektion) wären zu stark. Es gibt allerdings unter Umständen die Möglichkeit, die dem Leberwachstum zugrunde liegenden Mechanismen zu kopieren. „Das bakterielle Genom ist eine wertvolle Ressource für zukünftige Studien“, erklären die Forscher.

via University of Edinburgh

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