Dass die Erneuerbaren Energien dringend massiv ausgebaut werden müssen, ist keine ganz neue Erkenntnis. In der Praxis wird aber immer wieder darüber geklagt, dass der Staat auf der einen Seite aufs Tempo drückt, während er an anderen Stellen für massive Verzögerungen verantwortlich ist. Dies gilt etwa für dringend benötigte Genehmigungen, die teilweise erst nach Monaten oder sogar Jahren ausgestellt werden. Die EU-Kommission hat daher eine neue Richtlinie präsentiert, um die Prozesse zu beschleunigen. Bis diese ihre Wirkung entfaltet, dürften aber einige Jahre vergehen. Dies dauert der EU-Behörde zu lange. Sie beruft sich daher auf einen Notfall, der dringend Maßnahmen erfordert. Geregelt ist dies in Artikel 122 des „Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)“. Darin ist festgeschrieben, dass die EU „angemessene Maßnahmen“ ergreifen kann, wenn es gravierende Schwierigkeiten in Sachen Energieversorgung gibt.


Nach einem Monat folgt automatisch die Genehmigungsfiktion

Genau dies sei nach dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine der Fall, argumentieren die EU-Beamten. Sie wollen daher eine unmittelbar wirksame Notfallverordnung erlassen. Die größten Auswirkungen hätte dies bei kleineren Solaranlagen. Wer heute etwa sein Hausdach mit entsprechenden Modulen inklusive Speicheranlage und Netzanschluss bestücken möchte, darf erst nach einer offiziellen Genehmigung anfangen zu bauen. Weil die Erteilung schon einmal länger dauert, wird hier einiges an Potenzial zur Erzeugung von Ökostrom verschwendet. Zukünftig soll daher gelten: Bei Anlagen mit einer Leistung von bis zu 50 KW muss über die Genehmigung innerhalb eines Monats entschieden werden. Ist dies nicht der Fall, tritt die sogenannte Genehmigungsfiktion in Kraft und es darf mit dem Bau begonnen werden. Dieses Prinzip gibt es heute bereits im Ausländerrecht. Kann dort nicht rechtzeitig über eine Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung entschieden werden, erhalten die Antragssteller eine vorübergehende Fiktionsbescheinigung und können so beispielsweise weiter arbeiten.


Erneuerbare Energien sollen Vorrang bekommen

Gleichzeitig sieht der Entwurf vor, den Erneuerbaren Energien im Abwägungsprozess zwischen verschiedenen Interessen eine explizite Sonderrolle einzuräumen. Denn es soll ein besonderes öffentliches Interesse festgeschrieben werden. Im Zweifelsfall müsste daher unter anderem der Arten- und Naturschutz zurückstehen. Dies würde beispielsweise die Genehmigungsverfahren von Windrädern vereinfachen und beschleunigen. Ganz unumstritten ist dies allerdings nicht. Umweltschützer befürchten beispielsweise, dass dies als Präzedenzfall dienen könnte, um zukünftig immer wieder Überprüfungsrechte einzuschränken. Bevor die EU-Kommission die neuen Regeln erlassen darf, müssen allerdings noch die Mitgliedsstaaten zustimmen. Diese hatten solche und ähnliche Maßnahmen in der Vergangenheit immer wieder gefordert, sodass dies eher als Formsache gilt. Das Europäische Parlament muss hingegen nicht gefragt werden. Aktuellen Planungen zufolge ist vorgesehen, dass die Sonderregeln zunächst auf ein Jahr befristet werden.

Via: Der Standard

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