Inzwischen ist es Tradition: Jedes Jahr kurz vor Weihnachten werden durch das Fachmagazin „Science“ die zehn wichtigsten Entdeckungen, Erkenntnisse und Erfindungen des Jahres gekürt. Eine Errungenschaft erhält dabei den Titel „Durchbruch des Jahres“. Im letzten Jahr ging dieser Titel an die Entschlüsselung des Proteincodes durch künstliche Intelligenzen, 2020 an die Entwicklung der Corona-Impfstoffe. Der wichtigste wissenschaftliche Durchbruch im Jahr 2022 war der Start sowie die Inbetriebnahme des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST).


James-Webb-Teleskop: Fantastische Einblicke in den Weltraum

Das JWST ist das größte und komplexeste wissenschaftliche Instrument, das je ins All gebracht wurde. Mit seinem 6,50 Meter großen Hauptspiegel sowie dem tennisplatzgroßen Sonnensegel ist das KWST nicht nur das größte und komplizierteste, sondern auch das teuerste Instrument, das die Menschheit je ins Weltall gebracht hat. Die Planung und Konstruktion des Teleskops dauerte 20 Jahre und kostete mehr als zehn Milliarden US-Dollar. Sein Start war eine der riskantesten Weltraummissionen, die die US-Weltraumbehörde NASA je in Angriff nahm.


Nach dem Start am 25. Dezember 2021 mussten nämlich das Segel, die Spiegel sowie die Haltekonstruktionen des Teleskops in einer Abfolge von mehr als 300 Schritten entfaltet und ausgeklappt werden. Wäre ein einziger dieser Schritte schief gegangen, hätte das dazu führen können, dass das teure Teleskop unbrauchbar wird. Nachdem es an seiner Endposition am Lagrangepunkt 2, 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, angekommen war, musste das Teleskop mehrere Monate lang kalibriert werden, bis es dann am 21. Juni 2022 seinen Betrieb aufnehmen konnte.

Bereits die erste Aufnahmen des James-Webb-Teleskops waren eine wissenschaftliche Sensation: Mit dem ersten „Deep Field“ nahm das Teleskop den tiefsten und schärfsten je gesehenen Blick ins ferne frühe Universum auf. Im Laufe der dann folgenden Monate gelangen dem Teleskop weitere Entdeckungen, die sonst nicht möglich gewesen wären. So entdeckte und charakterisierten Forscher mit Hilfe des JWST die bisher ältesten Galaxien unseres Kosmos und wies erstmals Kohlendioxid und andere Elemente und Moleküle in der Atmosphäre von Exoplaneten nach.

DART-Mission und künstliche Intelligenz

Doch das JWST war nicht das einzige wissenschaftliche Highlight, das sich im Weltraum ereignete. Am 27. September 2022 gelang es der NASA, im Rahmen der DART-Mission erstmals die Ablenkung eines Asteroiden von seiner Bahn zu testen. Testobjekt war der 160 Meter große Asteroidenmond Dimorphos, der durch die Kollision mit der DART-Sonde erfolgreich von seiner Bahn abgebracht werden. Solche kinetische Deflektoren könnten sich im Ernstfall als Rettung der Menschheit beweisen. Sie sind wahrscheinlich die beste Chance, die Erde vor dem potentiellen Einschlag eines Asteroiden zu bewahren.

Bild: NASA/JHUAPL/Steve Gribben / Public Domain

Auf der Erde gab es derweil mehrere Fortschritte in der künstlichen Intelligenz, die von den Science-Editoren ebenfalls zu den Top Ten des aktuellen Jahres gezählt wurden. Die neuen KI-Systeme demonstrieren, dass sie Leistungen vollbringen können, die man ihnen bisher kaum zugetraut hätte. Zu diesen Systemen gehört etwa DALL–E 2, ein Text-zu-Bild-Wandler, der aus Beschreibungen in Textform passende Grafiken erzeugt. Auch AlphaTensor, ein System, das mathematische Probleme lösen und sogar neue Theoreme entwickeln kann, wurde geehrt – ebenso wie AlphaCode, ein Programm, dass sich mit menschlichen Programmierern messen kann.

RSV-Impfstoffe, Multiple Sklerose und mehrjähriger Reis

Und auch im Bereich der Medizin wurden einige Highlights gekürt, zu denen unter anderem vielversprechende klinische Tests von Impfstoffen gegen das Respiratorische Syncytial-Virus (RSV). An dem Atemwegsvirus erkrankten zuletzt vor allem Kleinkinder und Kinder. Auch der Nachweis eines Zusammenhangs zwischen dem Epstein-Barr-Virus und der Entstehung von Multipler Sklerose (MS) wurde von den Editoren geehrt.

Auch die Entwicklung einer mehrjährigen Reissorte, die nicht Jahr für Jahr neu gepflanzt werden muss, zählt zu den Top Ten des Jahres. Durch diese Entwicklung wird Arbeit auf den Reisfeldern verringert. Außerdem lassen sich so die Erträge erhöhen.

Verlorene Welt, Pesterbe und größte Mikrobe der Welt

Ein weiteres Highlight war die Enthüllung zwei Millionen Jahre alter DNA imd Permafrost in Grönland, die erstmals Einblicke in eine Art „verlorene Welt“ im hohen Norden erlaubte. Diese Analysen zeigten auch das älteste je geborgene und sequenzierte Erbgut. Zudem ehrten die Editoren eine Entdeckung aus dem Oktober 2022, durch die Forscher:innen zeigten, dass der Selektionsdruck, den die Pest im Mittelalter erzeugte, bis heute noch in unserem Genom nachwirkt.

Eine weitere Entdeckung, die geehrt wurde, ist der Nachweis von Thiomargarita magnifica, der größten Mikrobe der Welt. Das Bakterium wurde im Mangrovenschlamm von Guadeloupe gefunden und bildet bis zu zwei Zentimeter lange fadenartige Zellen. Es handelt sich damit um das einzige bekannte Bakterium, das mit bloßem Auge gesehen werden kann.

Breakdowns des Jahres: Zero-Covid-Politik und Angriff auf die Ukraine

Neben den Highlights des Jahres 2022 wies „Science“ auch die „Breakdowns“ des Jahres aus, zu denen unter anderem die Zero-Covid-Politik Chinas zählt. Die strikten Lockdowns und Isolationen zu Beginn der Pandemie seien zwar effizient gewesen, erwiesen sich dann aber im Zuge der ansteckenderen Omikron-Variante sowie den wirksamen Impfstoffen als Sackgasse. Die Anti-Corona-Maßnahmen behinderten nicht nur die chinesische Wirtschaft, sondern führten auch zu einer geringeren Durchseuchung, die im Zusammenhang mit der niedrigen Booster-Impfquote die Öffnung des Landes erschwerten.

Als folgenreichsten negatives Ereignis des Jahres kürten die Editoren von „Science“ indes den Angriff Russlands auf die Ukraine. Dieser hatte nicht nur die weitgehende Zerstörung der ukrainischen Infrastruktur sowie den Tod tausender Menschen zur Folge, sondern wirkte sich weltweit auf die Energiepreise sowie die wirtschaftliche und geopolitische Lage aus.

via Science

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