Etwa 1,4 Milliarden Autos sind derzeit auf der Welt unterwegs. Am Ende ihrer Nutzungsdauer bleibt ein Haufen aus Metall, Plastik und verschiedenen Flüssigkeiten zurück. Das Metall wird zum Großteil recycelt, bei den anderen Bestandteilen sieht es eher schlecht aus. Forscher:innen haben nun eine Möglichkeit gefunden, aus dem Plastik Graphen zu gewinnen. Dafür werden lediglich zwei kurze Stromstöße benötigt.


Von Kunststoff zu Graphen mit zwei Stromstößen

Bei den in der Fahrzeugherstellung verwendeten Kunststoffen handelt es sich weitestgehend um Verbundstoffe, die schwer zu recyceln sind und daher häufig einfach auf einer Deponie landen. Pro Auto sind das etwa 250 bis 300 Kilogramm Plastik. Schätzungen zufolge existiert derzeit mehr als eine Milliarde Tonne Plastikmüll aus abgewrackten Autos.


Ein Team rund um Kevin Wyss von der Rice University in Houston wollte sich dem übrig gebliebenen Plastik annehmen. Die Forscher:innen stellten eine Methode vor, mit dem sich aus den Plastiküberresten von Fahrzeugen wertvolles Graphen herstellen lässt – und zwar auch bevor diese sortiert wurden. Dabei kommt ein Verfahren namens „Flash-Joule-Heating zum Einsatz. Bei diesem wird das Material mittels starker Stromstöße innerhalb kurzer Zeit auf mehrere tausend Grad Celsius erhitzt.

Die Wissenschaftler:innen verwendeten als Ausgangsmaterial eine pulverisierte Mischung aus Kunststoffen, die unter anderem aus Stoßstangen, Dichtungen, Sitzen und Türverkleidungen alter Pickup-Trucks von Ford stammten. Das Team mischte 2,6 Gramm dieses Pulvers mit fünf Prozent Hochofenkoks, das die Leitfähigkeit erhöhen sollte. Anschließend wurde die Mischung in einer Quarz-Röhre verdichtet und zwei Stromstößen ausgesetzt. Als erstes wurde sie dabei mit einem Strom, der innerhalb von 20 Sekunden auf 25 Ampere anstieg, auf eine Temperatur von 2000 Grad Celsius erhitzt. Durch diese Erhitzung wurden die Polymere in ihre Grundbestandteile aufgespalten. Danach folgte ein kurzer, 500 Millisekunden andauernder Strom mit 200 Ampere Stärke, der die freigesetzten Kohlenstoffatome dazu brachte, die typische Netzstruktur von Graphen anzunehmen.

Verfahren für Wertstoffkreislauf geeignet

Mit diesem Verfahren gelang es den Forscher:innen, etwa 20 Prozent des Ausgangsmaterial zu Graphen zu machen. „Zusammenfassend haben wir aus dem Plastikmüll alter Autos mithilfe von Flash-Joule-Heating – einer einfachen, schnellen und lösungsmittelfreien Methode – qualitativ hochwertiges Graphen hergestellt„, so das Team. Anschließend mischten die Forscher:innen das gewonnene Graphen mit einem Polyurethan-Schaum, der auch in vielen Automobilteilen verwendet wird. „Die Beigabe führte zu einer verbesserten Zugfestigkeit und Dämpfung niedriger Frequenzen„, berichteten sie. Als letztes schließlich pulverisierten sie auch den Polyurethan-Schaum und unterzogen diesen dem Flash-Joule-Heating. Dabei entstand erneut hochwertiges Graphen. So konnten sie zeigen, dass das Verfahren für einen Wertstoffkreislauf geeignet ist.

Die Wissenschaftler:innen sehen in ihrem Verfahren nicht nur eine gute Chance, das Recycling von Autos zu verbessern, sondern auch, die Umweltverträglichkeit der Graphenherstellung zu verbessern. Denn im Gegensatz zu den aktuell verwendeten Methoden spart die neu entwickelte Technik mehr als 90 Prozent Wasser und 80 Prozent Energie ein. Neben Strom sind keine anderen Ressourcen wie etwa Lösungsmittel oder anderes nötig. „Das zeigt, dass die Verwendung erneuerbarer Energiequellen das Treibhauspotenzial noch weiter reduzieren kann„, erläutert das Team.

Die Energiekosten für das Flash-Joule-Heating schätzen die Wissensschaftler auf etwa 125 US-Dollar pro Tonne Kunststoff. Eine Tonne Graphen dagegen hat derzeut einen Wert zwischen 60.000 und 200.000 Dollar. „Das Flash-Joule-Verfahren wird derzeit noch hochskaliert, damit mehrere Tonnen Graphen pro Tag hergestellt werden können. So kann es schließlich für die Verwertung von Altfahrzeug-Plastik verwendet werden„, so die Forscher:innen.

via Rice University

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