Tag für Tag werden unzählige neue Songs veröffentlicht. Wenn es darum geht, herauszufinden, welche davon das Potential zum Hit haben, verlässt man sich bisher auf Methoden wie Nutzerbefragungen und formale musikalische Merkmale. Die Trefferquote indes ist gering. Vielen Menschen fällt es schwer, auf einer vorgegebenen Skala zu bewerten, wie gut ihnen ein Song gefällt. In einer neuen Studie versuchen Forscher:innen es nun mit einer neuen Methode: Sie nutzen neurophysiologische Parameter und maschinelles Lernen, um die Beliebtheit von Musikstücken vorauszusagen. Dies könnte vor allem für Streamingdienste und Radiosender interessant werden.


Dem Hitpotential auf der Spur

Die Hirnströme und die physiologischen Reaktionen von Musikhörenden können unter Umständen mehr Rückschlüsse darauf zulassen, wie beliebt ein Song sein wird, als herkömmliche Methoden. Dies ist zumindest die Annahme eines Forschungsteams rund um Sean Merritt von der Claremont Graduate University in Kalifornien. Für die Messungen kam ein kommerziell erhältliches und nicht invasives Gerät zum Einsatz, mit dem die Nerven- und Herzaktivität gemessen werden kann.


Dieses Messverfahren nutzten die Forscher:innen, um die neurophysiologischen Reaktionen von insgesamt 33 Testpersonen auf 24 aktuelle Songs zu messen, die aus ganz unterschiedlichen Genres kamen. Die Musik wurde von einem Musik-Streaming-Dienst bereitgestellt. 13 dieser Songs kamen auf jeweils mehr als 700.000 Aufrufe. Der Streamingdienst klassifizierte sie somit als Hits.

Die Forscher:innen befragten die Testpersonen anschließend außerdem, wie gut ihnen die Stücke gefallen hatten, ob sie die Musik bereits kannten und ob sie sie erneut hören oder weiterempfehlen würden. Wenn ein Lied der jeweiligen Testperson bereits bekannt war, wurde es aussortiert.

97 Prozent Genauigkeit

Bei der Auswertung bestätigte sich, dass die von den Nutzern angegebenen subjektiven Präferenzen nur wenig Aussagekraft hatten. „Bei unbekannten Liedern war das selbstberichtete Gefallen für Hits und Flops statistisch identisch„, so die Forscher:innen. Anders sah es bei den neurophysiologischen Daten aus: „Durch die Anwendung von maschinellem Lernen auf neurophysiologische Daten konnten wir Hits nahezu perfekt identifizieren.

Je mehr Immersion ein Song auslöst, desto wahrscheinlicher ist es, dass dieser zu einem Erfolg wird. Nach einer Trainingsphase, die auf synthetische Daten beruhte, die auf Basis echter Messdaten erstellt wurde, konnte der Algorithmus der Forscher:innen anschließend mit einer Trefferwahrscheinlichkeit von 97 Prozent vorhersagen, ob ein Song zu einem Hit werden würde. Von den 24 echten Lieder konnte er fast alle korrekt klassifizieren. Lediglich ein Flop wurde als Hit eingeordnet.

Emotionale Reaktionen helfen bei der Vorhersage

Dass die neuronale Aktivität von 33 Personen vorhersagen kann, ob Millionen von anderen Menschen neue Songs gehört haben, ist ziemlich erstaunlich. Nichts, was auch nur annähernd so genau ist, wurde jemals zuvor gezeigt„, so Paul Zak, der an der Studie beteiligt war. Bisherige vergleichbare Methoden, um die Hittauglichkeit von Songs zu ermitteln, brachten es nur auf eine Trefferquote von 50 Prozent.

Die hohe Genauigkeit der Methode liegt gemäß den Vermutungen der Wissenschaftler:innen daran, dass sowohl die Aufmerksamkeit als auch die emotionale Reaktion der Testpersonen erfasst wurde. „ Emotionen kennzeichnen den subjektiven Wert einer Erfahrung. Unsere Analyse deutet darauf hin, dass emotionale Reaktionen auch mitbestimmen, welche Songs ein Hit werden„, so das Team. Die Forscher:innen gehen davon aus, dass der Algorithmus auch bei anderen Songs eine gute Trefferquote aufweisen würde.

Wer aber profitiert nun von derartigen Vorhersagen? Vor allem geht es um Streamingdienste und Radiosender, die mit Hilfe solcher Methoden den Erfolg von Songs bereits im Vorfeld bewerten könnten. Aber auch zur Erstellung individuell angepasster Empfehlungen könnten solche Messungen verwendet werden. „Wenn in Zukunft tragbare neurowissenschaftliche Technologien, wie die, die wir für diese Studie verwendet haben, alltäglich werden, könnte dem Publikum auf der Grundlage seiner Neurophysiologie die richtige Unterhaltung geboten werden„, erläutert Zac weiter.

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