Die Kohle als fossiler Energieträger legte einst den Grundstein für die Industrialisierung Europas. Inzwischen hat sie innerhalb der Europäischen Union aber keine große Zukunft mehr. Allerdings gehen die einzelnen Länder dabei durchaus unterschiedlich schnell vor. Frankreich beispielsweise strebt einen sehr schnellen Ausstieg an – bezieht einen Großteil des Strommixes aber ohnehin aus Atomkraftwerken. Deutschland wiederum ist gerade dabei die letzten AKWs vom Netz zu nehmen. Die Verstromung von Braunkohle wiederum soll spätestens 2038 enden. Noch einmal deutlich länger könnte es in Polen dauern. Denn dort sind Stein- und Braunkohle für rund siebzig Prozent der Stromproduktion verantwortlich. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien verläuft zudem eher schleppend. In der Nähe der zentralpolnischen Stadt Złoczew fand nun allerdings eine symbolträchtige Auseinandersetzung statt. Die einheimischen Grundbesitzer wehrten sich gegen einen geplanten neuen Tagebau – und waren tatsächlich erfolgreich.


Bild: Anna Uciechowska, CC BY-SA 3.0 <http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/>, via Wikimedia Commons

Tausende Menschen können in ihren Häusern wohnen bleiben

Ursprünglich sollten rund dreißig Dörfer mit mehr als 3.000 Einwohnern umgesiedelt werden, um den Braunkohleabbau zu ermöglichen. Kommuniziert wurde das Projekt als Teil eines Programms zur wirtschaftlichen Erholung von den Folgen der Corona-Krise. Die erforderliche Genehmigung erteilten die Regionalbehörden in Łódź. Mit all zu viel Widerstand wurde nicht gerechnet. Immerhin sollte das Projekt ja viel Geld in die Region bringen. Doch einer der betroffenen Bauern wollte sich mit dem Verlust seines Hofes nicht abfinden. Er erklärte, sein Land niemals verkaufen zu wollen und gründete im Alleingang die Initiative „Nein für den Tagebau Złoczew“. Damit hatte er einen Nerv getroffen. Denn immer mehr Menschen schlossen sich der Initiative an. Diese wurde später zudem von einflussreichen Organisationen wie Greenpeace Poland unterstützt. Die Proteste wurden schließlich so laut, dass sie auch in der polnischen Hauptstadt gehört wurden. Die dortige Umweltbehörde hat die Genehmigung nun widerrufen. Der geplante Tagebau wird somit nicht entstehen.

Tschechien hat die polnische Regierung verklagt

Zu dieser Entscheidung beigetragen haben könnte auch die Tatsache, dass die polnische Regierung international immer stärker unter Druck steht, den hohen Anteil der Kohle am Strommix zu reduzieren. Als ein Zugeständnis soll Europas größtes Wärmekraftwerk in Bełchatów nun schon in den Jahren 2030 bis 2036 vom Netz gehen. Die Kohle aus dem geplanten Tagebau in Złoczew hätte aber dort verfeuert werden sollen. Tauende Menschen gegen ihren Willen umzusiedeln für einen Tagebau, der ohnehin nur wenige Jahre benötigt würde, erschien der Regierung offensichtlich dann doch unverhältnismäßig. Eine grundsätzliche Abkehr von der Kohle ist dies aber nicht. Dies zeigt der Streit um den Tagebau in Turów in unmittelbarer Nähe der tschechischen Grenze. Die Regierung in Prag hat in diesem Fall vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt, weil der Tagebau auf polnischer Seite das Grundwasser in den tschechischen Grenzgebieten absinken lässt und die Region so vertrocknet. Die Richter ordneten daraufhin an, den Kohleabbau bis zu einem Urteil zu stoppen. Dies ignoriert die polnische Führung allerdings bisher und nimmt dafür sogar Strafzahlungen in Höhe von 100.000 Euro täglich in Kauf.


Via: Der Standard

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