Aktuell gelangt deutlich weniger Erdgas nach Europa als in den vergangenen Jahren. Verantwortlich dafür ist der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Benötigt wird das Gas nicht nur zum Heizen von Wohnungen und Betrieben, sondern auch für die Stromproduktion. Im Winter könnte es daher zu kritischen Situationen kommen. Dies gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für Frankreich und die Schweiz. Die zuständigen Behörden dort haben daher nun ein Angebot für den Notfall erhalten: Sollte die Netzstabilität in der Region bedroht sein, bietet das Forschungszentrum CERN in Genf an, seine energieintensiven Teilchenbeschleuniger vorübergehend abzuschalten. So könnte der Energieverbrauch mit einer einzigen Maßnahme recht stark gesenkt werden. Denn der Spitzenbedarf des Forschungszentrums liegt bei 200 Megawatt. Dies entspricht in etwa einem Drittel des Energiebedarfs von ganz Genf.


Large Hadron Collider at CERN
The Large Hadron Collider/ATLAS at CERN, Image Editor, Flickr, CC BY-SA 2.0

Die Abschaltung ist in einem mehrstufigen Verfahren geplant

Insgesamt sind am CERN acht Teilchenbeschleuniger in Betrieb. Davon ist der riesige Large Hadron Collider (LHC) mit Sicherheit der bekannteste. Im Ernstfall soll nun ein Stufenplan greifen. Demnach benötigen die Forscher eine Vorlaufzeit von einem Tag und eine Information darüber, wie viel Energie eingespart werden soll. Dann ist vorgesehen, zunächst die kleineren Teilchenbeschleuniger vom Netz zu nehmen. Dadurch könnte der Energiebedarf um rund ein Viertel reduziert werden. In noch ernsteren Situationen könnte dann auch der LHC den Dienst einstellen. Dies würde den Energieverbrauch noch einmal um ein Viertel verringern. Das Problem: Die supraleitenden Magnete müssen auch dann weiterhin gekühlt werden, weil sonst eine schnelle Wiederinbetriebnahme nicht möglich ist. Nur im absoluten Notfall könnte daher auch hier noch etwas Energie eingespart werden. Dann aber wäre der LHC mindestens für mehrere Wochen nicht mehr einsatzbereit.

Der Zeitplan am LHC ist eng gesteckt

Grundsätzlich handelt es sich um ein freiwilliges Angebot des Forschungszentrums. Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass die Forscher Rücksicht nehmen auf die Situation am allgemeinen Energiemarkt. So läuft der LHC ohnehin nur in den Monaten Mai bis Dezember, um der Heizungsphase einigermaßen aus dem Weg zu gehen. Dies hat allerdings auch zur Folge, dass die Anlage in der nutzbaren Zeit sehr begehrt und weitgehend ausgebucht ist. Zumal der gigantische Teilchenbeschleuniger nach einer dreijährigen Pause erst im Juli dieses Jahres wieder in Betrieb genommen wurde. Durch die Energiekrise erzwungene Abschaltungen würden diese Planungen gewaltig durcheinander bringen, ohne dass es viele denkbare Ausweichtermine gibt. Dies muss im Notfall aber wohl in Kauf genommen werden. Durch die Arbeit am Large Hadron Collider erhoffen sich die Forscher unter anderem neue Erkenntnisse über die Entstehung unseres Universums.


Via: WSJ

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