In Deutschland weht der Wind vielerorts zu schwach, um klassische Windkraftanlagen wirtschaftlich zu betreiben. Für große Windparks ist das kein Problem, da sie auf hohen Türmen in konstanten Strömungen arbeiten. Doch für private Gärten, Dächer oder abgelegene Orte sind die Bedingungen deutlich schwieriger. Hier kommen sogenannte Kleinwindanlagen ins Spiel – kleine Rotoren, die dezentral Strom liefern könnten, wenn sie auch bei schwachem Wind anlaufen würden. Genau das ist das Ziel eines neuen Projekts des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung IAP, das gemeinsam mit Partnern eine neuartige Leichtbau-Windturbine entwickelt hat. Sie soll Windgeschwindigkeiten nutzen können, bei denen herkömmliche Systeme noch stillstehen. Bild: Fraunhofer IAP Neue Kleinwindanlage läuft auch bei schwachem Wind an Kleinwindanlagen scheitern bislang oft an der sogenannten Anlaufgeschwindigkeit – dem Punkt, ab dem der Rotor überhaupt zu drehen beginnt. Viele Modelle brauchen mindestens vier Meter pro Sekunde, bevor sie nennenswerte Energie liefern. In großen Teilen Deutschlands liegt der Wind aber meist darunter, oft bei zwei bis drei Metern pro Sekunde. Das neue System des Fraunhofer IAP setzt hier an: Der Prototyp startet bereits ab etwa 2,7 m/s und kann damit auch bei leichter Brise Strom erzeugen. Erreicht wurde das durch eine radikale Reduktion von Gewicht und Trägheit. Der Rotor ist so konstruiert, dass er selbst minimalen Winddruck effizient in Bewegung umsetzt. Forschende testeten den Aufbau in Windkanälen und konnten zeigen, dass die Anlage schneller anläuft und zugleich stabiler läuft als konventionelle Modelle. „Wir haben die aerodynamische Auslegung der Rotorblätter und das Fertigungsverfahren optimiert“, erklärt Projektleiter Marcello Ambrosio vom Fraunhofer IAP. Das Ergebnis ist eine Anlage, die sich auch für Standorte eignet, die bisher als ungeeignet galten – etwa Gärten, Gewerbedächer oder abgelegene Hütten. Leichtbauweise als Schlüssel zur Effizienz Das zentrale Element der Innovation ist die Leichtbauweise der Rotorblätter. Statt massiver Strukturen mit Schaumkernen nutzt das Fraunhofer-Team zwei dünne, hohle Schalen, die in präziser Faserverbundtechnik gefertigt werden. Diese Bauweise reduziert das Gewicht der Rotorblätter um bis zu 35 Prozent und ermöglicht ein besonders geringes Trägheitsmoment. So setzt sich der Rotor selbst bei geringen Winddrücken zuverlässig in Bewegung. Zugleich sorgt der Materialaufbau für eine bemerkenswerte Eigenschaft: Bei starkem Wind verformen sich die Blätter leicht elastisch und drehen sich etwas aus der Hauptströmung. Dadurch reguliert sich die Drehzahl automatisch – eine Art passiver Schutzmechanismus, der aufwendige Steuer- oder Bremssysteme überflüssig macht. Der Rotor passt sich also selbstständig den wechselnden Bedingungen an, ohne an Effizienz zu verlieren. Im Testbetrieb erreichte der Prototyp bei Windgeschwindigkeiten von zehn Metern pro Sekunde eine Leistung von bis zu 2.500 Watt und rund 450 Umdrehungen pro Minute. Mit einem Wirkungsgrad von etwa 53 Prozent liegt die Anlage nur knapp unter dem theoretischen Maximum, das physikalisch überhaupt erreichbar ist. Im Vergleich zu herkömmlichen Kleinwindrädern bedeutet das eine Leistungssteigerung von mehr als 80 Prozent. Fraunhofer-Forscher:innen bereiten die Serienproduktion vor Noch befindet sich das System in der Erprobungsphase. Fünf Prototypen wurden an unterschiedlichen Standorten installiert, um zu untersuchen, wie sich die Anlage in realen Umgebungen verhält. Das Team des Fraunhofer IAP arbeitet dabei eng mit Industriepartnern zusammen, um die Serienproduktion vorzubereiten. Gleichzeitig wird an einer ressourcenschonenderen Variante geforscht: Statt klassischer Verbundmaterialien sollen künftig Monomaterialien zum Einsatz kommen, die leichter zu recyceln sind. Ob sich die neue Technologie auf dem Markt durchsetzt, wird jedoch nicht nur von der Technik abhängen. Der Standort bleibt entscheidend, denn in bebauten Gebieten führen Verwirbelungen und Hindernisse oft zu ungleichmäßigen Strömungen. Auch die Wirtschaftlichkeit muss sich erst beweisen – bei geringen Rotorflächen und moderaten Windverhältnissen ist der Energieertrag oft begrenzt. Trotzdem gilt das Projekt als wichtiger Schritt, um Windenergie auch jenseits großer Parks nutzbar zu machen. Es zeigt, wie Materialwissenschaft und Leichtbautechnik zusammenwirken können, um ein bekanntes physikalisches Problem zu lösen. Sollte sich das Konzept bewähren, könnten Kleinwindanlagen künftig nicht mehr nur Symboltechnik für Idealist:innen sein, sondern ein realer Beitrag zur dezentralen Energiewende – selbst dort, wo der Wind nur sanft weht. via Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter