Alzheimer-Demenz gehört zu den Krankheiten, die die Medizin bisher zwar behandeln, aber nicht heilen kann. Der fortschreitende Abbau von Gehirnzellen, der durch fehlgefaltete Amyloid- und Tau-Proteine ausgelöst wird, lässt sich nicht aufhalten. Es gab in der Vergangenheit zwar viele Wirkstoffe, die in Tierversuchen erfolgreich waren, dann aber in der Anwendung an Menschen eher enttäuschten. Ein neuer mononuklearer Antikörper zeigte nun aber auch in einer Phase-3-Studie mit Menschen vielversprechende Ergebnisse. Das Präparat namens Lecanemab reduzierte die schädlichen Amyloid-Plaques und verlangsamte den geistigen Abbau um 27 Prozent.


Neuer Antikörper gegen Demenz in Phase-3-Studie

Die Probleme anderer Wirkstoffe galt bisher auf für die neueste Hoffnung im Kampf gegen die Alzheimer-Demenz: Antikörper. Derartige speziell im Labor hergestellte Immunproteine werden entworfen, um an die für Alzheimer typischen fehlgefalteten Proteine anzudocken und sie zu zerstören. Präparate wie Aducanumab, Gantenerumab und Donanemab zeigten in klinischen Studien tatsächlich, dass sie die Zahl an Amyloid-Plaques im Gehirn von Alzheimer-Patient:innen verringern können. Allerdings ging damit bisher keine Verlangsamung des Fortschreitens der Demenz einher. Hinzu kommt, dass die Antikörper-Präparate erhebliche, teils schwerwiegende Nebenwirkungen – dazu zählen unter anderem Hirnödeme und Mikroblutungen, die in extremen Fällen den Tod verursachen können.


Ein Team um Christopher van Dyck von der Yale School of Medicine in New Haven haben nun einen neuen Antikörper gegen Alzheimer entwickelt. Das Präparat namens Lecanemab enthält mononukleare Antikörper, die sich gegen die Amyloid-Beta-Protofibrillen richten, die als frühe Vorstufe zu den Amyloid-Plaques gelten.

In einer klinischen Phase-3-Studie haben die Forscher:innen 1.785 Alzheimer-Patient:innen mit milder Demenz alle zwei Wochen eine Lecanemab-Infusion oder ein Placebo verabreicht. Über einen Zeitraum von 18 Monate hinweg untersuchte das Team dann die Dichte und Mengen der Amyloid-Ablagerungen im Gehirn der Proband:innen. Hinzu kamen standardisierte Tests, mit denen die geistige Leistungsfähigkeit festgestellt wurde.

Ergebnisse geben Anlass zur Hoffnung

Das Ergebnis war vielversprechend: Die mit dem Präparat behandelnden Proband:innen entwickelten im Laufe der 18 Monate signifikant weniger Amyloid-Plaques im Gehirn als die Kontrollgruppe, die das Placebo bekam. Und nicht nur das: Ihr geistiger Abbau verlangsamte sich außerdem um 0,45 Punkte auf der 18-stufigen Messskala des CDR-SB-Score, was einer Verlangsamung des Fortschreitens der Demenz um 27 Prozent entspricht. Bei Aktivitäten des täglichen Lebens maßen die Forscher:innen sogar eine Verlangsamung um 37 Prozent.

Von den drei Antikörpern Aducanumab, Gantenerumab und Lecanemab zeigt die vorliegende Studie zu Lecanemab die klarste Evidenz für eine Wirksamkeit. Insgesamt ist es eine sehr ermutigende Studie“, so der Demenzforscher Stefan Teipel vom Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), der nicht an der Studie beteiligt war.

Der Patient selber merke von der Wirkung des Präparats im Alltag nur wenig. „Allerdings muss man da auch einen längeren Zeitraum bedenken: Wenn der Effekt persistiert, würde die Differenz über die Zeit noch weiter auseinandergehen und relevanter werden.“ Mit fortschreitender Zeit wurden die Unterschiede zur Placebogruppe immer größer.

Weniger Nebenwirkungen als bei anderen Präparaten

Neben der Wirkung ist auch die Frage nach den Nebenwirkungen sehr wichtig. Bei Lecanemab traten, ähnlich wie auch bei anderen Antikörper-Präparaten, überschießende Reaktionen des Immunsystems nach der Infusion auf. Diese waren aber meist nur vorübergehend und nicht schwerwiegend. Aber auch bei Lecanemab gab es Fälle von Hirnödemen und Mikroblutungen – die Häufigkeit lag bei 21,3 Prozent. Diese verursachten aber größtenteils keine Symptome und waren nur radiologisch nachweisbar,

Somit verursacht das Präparat offenbar weniger Nebenwirkungen als die anderen Antikörper-Präparate. „Insgesamt ist die Inzidenz solcher ARIA bei Lecanemab im Vergleich zu anderen Antikörpern niedrig. Dieses im Vergleich niedrige Risiko wirkt sich günstig auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Lecanemab aus„, so der Neurologe Jörg Schulz von der Uniklinik der RWTH Aachen.

Die Phase-3-Studie ist normalerweise der letzte Schritt vor einem Antrag auf eine Zulassung eines Präparats. Van Dyck und seine Kolleg:innen sind da allerdings eher vorsichtig und empfehlen weitere, längerdauernde Untersuchungen.

Fortschritt in der Alzheimer-Therapie

Unabhängig von einer möglichen Zulassung handelt es sich bei Lecanemab um einen wichtigen Schritt im Bereich der Alzheimer-Therapie. „Auch wenn der Begriff momentan vielleicht zu häufig verwendet wird: Diese Ergebnisse markieren eine Zeitenwende„, kommentiert Christian Haass von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Das Präparat zeigt, dass Antikörper-Therapien ihren Ziel, die Demenz zu bremsen, immer näher kommen.

Ein wesentlicher Fortschritt besteht darin, dass Lecanemab nicht die fertigen Amyloid-Plaques angreift, sondern deren Vorläufer, die Protofibrillen. Die fehlgefalteten Beta-Amyloid-Fädchen werden als besonders zellschädigend gesehen.

via New England Journal of Medicine

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