Ganz wird man menschliche Fehler nie ausschließen können, aber man kann an Arbeitsstrukturen und Prozessen arbeiten, um Fehlerquellen zu erkennen und zu minimieren. In Krankenhäusern lassen sich beispielsweise bis zu achtzig Prozent der vermeidbaren Behandlungsfehler auf Missverständnisse und Kommunikationspannen bei der Patientenübergabe zurückführen. Forscher des „Boston Children’s Hospital“ haben deshalb nun ein standardisiertes System entwickelt, mit dessen Hilfe bei Schichtwechseln und Patientenverlegungen sämtliche wichtigen Informationen weitergegeben und aufgenommen werden sollen. In einer ersten Testphase ließ sich die Zahl der vermeidbaren Behandlungsfehler so um knapp ein Drittel reduzieren.


Die Luftfahrt nutzt schon länger standardisierte Kommunikation

Die Forscher verfolgten dabei allerdings einen doppelten Ansatz. Sie wollten nicht nur ein System entwickeln, dass die Kommunikation verbessert. Dies wäre vergleichsweise einfach gewesen: Je mehr Zeit man sich für eine Patientenübergabe lässt, desto mehr Informationen können auch ausgetauscht werden. Das neue Kommunikationssystem sollte sich aber nahtlos in den bisherigen Klinikablauf einfügen. Mehr Zeit und zusätzliches Personal wären daher durchaus effektive Methoden gewesen, hatten aber keine realistische Umsetzungschance. Stattdessen wurde das I-PASS-System entwickelt, dass sich zum Ziel gesetzt hat, sämtliche relevanten Informationen in standardisierter Form zu übermitteln.


Die Kommunikation orientiert sich dabei an den Anfangsbuchstaben des Akronyms I-Pass: „llnessseverity“, „Patient summary“, „Action List“, „Situationalawarenessandcontingencyplanning“, und„Synthesis byreceiver“. Anhand dieser grundlegenden Struktur wurde dann eine standardisierte Sprachstruktur entwickelt. Eine ähnliche, wenn auch vergleichsweise simplere, Konstruktion finden wir auch in der Luftfahrt. Nach der Flugzeugkatastrophe von Teneriffa 1977 – die maßgeblich auf ein Missverständnis zwischen Funkturm und Piloten zurückzuführen war – wurden dort bestimmte Begriffe definiert und standardisierte Phrasen eingeführt. Nach dem gleichen Grundprinzip funktioniert auch I-PASS.

Zahl der vermeidbaren Fehler um dreißig Prozent gesunken

Getestet wurde das neue Kommunikationssystem I-PASS schließlich in neun amerikanischen Kinderkrankenhäusern. Unterteilt war die Testphase dabei in drei Abschnitte. Zunächst beobachteten und dokumentierten die Forscher sechs Monate lang die Arbeit der Krankenhäuser mit den alten Kommunikationsformen, dann wurde sechs Monate lang das I-PASS-System implementiert und anschließend wurden wiederum ein halbes Jahr lang die Ergebnisse dokumentiert. Die Verbesserungen sind dabei durchaus beachtlich: Die Zahl der vermeidbaren Verletzungen und Erkrankungen durch Behandlungsfehler lag in der ersten Phase noch bei durchschnittlich 4,7 von 100 Patienteneinlieferungen. Nach Implementierung des I-PASS-Systems sank dieser Wert auf 3,3 Fehler je 100 Patienten.
Allerdings ist jedes Kommunikationsmodell immer nur so gut, wie es von den Mitarbeitern auch umgesetzt wird. Die Forscher führten daher nach Abschluss der Testreihen Befragungen unter den Mitarbeitern der Kliniken durch. Diese ergaben, dass ein Großteil der Klinikangestellten von der Wirksamkeit des Systems überzeugt ist und eine signifikante Verbesserung der Patientenübergabe erkennt. Als nächstes soll das System daher an weiteren Krankenhäusern implementiert werden, um auch dort die Zahl der vermeidbaren Behandlungsfehler zu senken.

Quelle: Medicalxpress

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