Bisher sorgt der geplante europäische Fusionsreaktor ITER vor allem mit Negativschlagzeilen für Aufmerksamkeit. So sind die Baukosten explodiert und die vorgesehene Bauzeit wurde massiv überschritten. Physiker verbinden mit der Anlage dennoch große Hoffnungen. Denn mit ihr soll erstmals bei einem Fusionsreaktor der sogenannte Breakeven-Punkt erreicht werden. Es soll also mehr Energie gewonnen werden als zuvor für die Erzeugung des benötigten Plasmas aufgewendet wurde. Dies wiederum ist die Voraussetzung für eine kommerzielle Nutzung der Technologie. Bis ITER dann allerdings fertiggestellt ist, handelt es sich bei dem Tokamak-Reaktor JET um den größten Fusionsreaktor der Welt. Dort wurde nun ein neuer Energierekord aufgestellt. So ist es den Forschern gelungen, für rund fünf Sekunden ein stabiles und energiereiches Fusionsplasma zu erzeugen. In dieser Zeit wurde eine Energie von 59 Megajoule gewonnen. Dies entspricht rund elf Megawatt – womit der alte Energierekord aus dem Jahr 1997 übertroffen wurde.


Bild: EFDA JET, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons

Die neue Wolfram-Verkleidung bestand den Hitzetest

Dies ist die gute Nachricht. Allerdings muss der Wert auch entsprechend eingeordnet werden. Denn um das Deuterium-Tritium-Plasma zu erzeugen wurden etwa 33 Megawatt an Energie benötigt. In der Summe wurde also noch keine Energie gewonnen. Dies war allerdings auch keine Überraschung. Denn der Jet-Reaktor ist von der Konstruktion her schlicht nicht groß genug, um ausreichend Energie für den Breakeven-Punkt zu erzeugen. Für die beteiligten Wissenschaftler war das Experiment dennoch ein großer Erfolg. Denn es konnten gleich mehrere wichtige Erkenntnisse gewonnen werden, die später auch für den Betrieb von ITER von Bedeutung sind. So wurde zum einen die Auskleidung der Brennkammer getestet. Diese muss bei der Kernfusion eine gewaltige Hitze aushalten. Die neue Verkleidung besteht daher zu einhundert Prozent aus Wolfram – dem Material mit dem höchsten Schmelzpunkt überhaupt. In diesem Punkt war der Test erfolgreich: Die Verkleidung hielt den Temperaturen stand und soll zukünftig auch bei ITER verwendet werden.

Das Experiment macht Hoffnung in Sachen Kernfusion

Hinzu kommt: Es wurde auch eine spezielle Art von Plasma getestet. So wird JET mit einem Plasma aus Deuterium und Tritium betrieben. Diese Mischung gilt als besonders geeignet für die Kernfusion. Allerdings ist Tritium radioaktiv und vergleichsweise aufwändig zu gewinnen. Die meisten der bisher durchgeführten Fusionsexperimente setzten daher auf reines Wasserstoffplasma oder ausschließlich auf Deuterium. Bei ITER soll der Breakeven-Punkt aber ebenfalls mit einem Deuterium-Tritium-Plasma erreicht werden. Die Forscher konnten daher nun erste wichtige Erfahrungen mit den beiden schweren Isotopen sammeln. Der neu aufgestellte Energierekord sowie die dabei gewonnenen Erkenntnisse machen die Forscher nun optimistisch, mit ITER tatsächlich wichtige Durchbrüche in Sachen Kernfusion erreichen zu können. Sicher ist dies allerdings noch keineswegs. Denn in der Vergangenheit war die Kernfusions-Forschung immer wieder von unerwarteten Rückschlägen begleitet.


Via: BBC

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