Schon wenn alles normal läuft, ist das Streckenmanagement bei der Deutschen Bahn eine Herausforderung. Denn es handelt sich um ein deutschlandweites miteinander verwobenes System. Verspätungen sind daher in der Regel kein lokales Problem, sondern bringen zahlreiche Folgeprobleme mit sich – und zwar teilweise hunderte Kilometer entfernt. Noch komplizierter wird die Sache dann, wenn es zu ungeplanten Situationen kommt. So kann es beispielsweise vorkommen, dass ein Gleis von einem liegen gebliebenen Zug blockiert wird. In diesen Fällen müssen die Disponenten der Bahn schnellstmöglich entscheiden, wie sie reagieren. Welche Züge werden bei der Nutzung der noch vorhandenen Gleise bevorzugt? Und wer muss unter Umständen ein wenig länger warten? Bisher verlassen sich die Mitarbeiter dabei vor allem auf ihre Erfahrungswerte und ihre Intuition. Tatsächlich ist es für einen einzelnen Mitarbeiter aber gar nicht möglich, alles Auswirkungen einer Entscheidung zu erfassen.


Das Ziel: Die menschlichen Mitarbeiter sollen unterstützt werden

Deshalb erhalten die Disponenten zukünftig Unterstützung von einer eigens entwickelten künstlichen Intelligenz. Diese hat der Konzern nicht extern eingekauft, sondern im firmeneigenen „House of AI“ konzipiert und umgesetzt. Kommt es zukünftig zu einer Störung, berechnet die Software alle vorhersehbaren Folgen der denkbaren Entscheidungen und visualisiert die Ergebnisse anschließend in einem Videofilm. Diesen wiederum bekommen die zuständigen menschlichen Mitarbeiter der Bahn zu sehen und treffen anschließend ihre Entscheidung. Hilfreich dürfte dies vor allem in Situationen sein, in denen die objektiv beste Entscheidung der Intuition zu widersprechen scheint. So kommt es immer wieder zu Situationen, in denen nur ein Gleis zur Verfügung steht und Züge deshalb warten müssen. Zunächst erscheint es dann logisch, den zuerst eintreffenden Zug auch zuerst fahren zu lassen. Tatsächlich kann es aber sinnvoll sein, zunächst auf einen anderen Zug zu warten und diesen dann passieren zu lassen – eben weil dadurch die Auswirkungen später geringer sind.


Erste Tests in Stuttgart verliefen erfolgreich

Der Bahn ist es allerdings wichtig zu betonen, dass die finale Entscheidung auch weiterhin bei einem menschlichen Mitarbeiter liegt. Für scheinbar unnötige Wartezeiten kann also auch zukünftig nicht alleine die künstliche Intelligenz verantwortlich gemacht werden. Erstmals getestet wurde das System nun im Netz der S-Bahn Stuttgart. Dort konnten die Verspätungen immerhin um rund drei Prozent reduziert werden. Dies klingt jetzt noch nicht nach dem ganz großen Durchbruch. Allerdings summieren sich Verspätungen im Laufe der Fahrt oftmals immer weiter auf. Zusätzlich kommt es zu den bereits erwähnten Dominoeffekten an anderer Stelle. An je mehr Stellen das System also zum Einsatz kommt, desto stärker reduzieren sich auch die Verspätungen. An einigen dicht getakteten Knotenpunkten könnten sich daher sogar Steigerungen in Sachen Pünktlichkeit von mehr als zehn Prozent erreichen lassen. Die künstliche Intelligenz soll daher nun nach und nach an immer mehr Orten zum Einsatz kommen.

Via: Handelsblatt

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