Zuletzt kam eine Studie, an der unter anderem die Welternährungsorganisation FAO beteiligt war, zu einem etwas überraschenden Ergebnis. Demnach ist die Landwirtschaft für rund dreißig Prozent der weltweiten Klimaemissionen verantwortlich. Bisherige Schätzungen waren hingegen eher von rund 25 Prozent ausgegangen. Ganz einsparen kann man diese Emissionen allerdings nicht. Denn auch zukünftig muss die Weltbevölkerung ernährt werden. Es gibt aber durchaus Ansätze, den klimatischen Fußabdruck zumindest deutlich zu verringern. Experten der Universitäten in Göttingen und Bayreuth haben vor diesem Hintergrund nun einen etwas provokanten Vorschlag gemacht: Sie wollen die Crispr/Cas-Genschere nutzen, um die Landwirtschaft klimafreundlicher und nachhaltiger zu gestalten. Dies erscheint zunächst verwunderlich, weil die beiden Themen nichts miteinander zu tun zu haben scheinen. Doch die Forscher weisen auf einen durchaus wichtigen Aspekt hin.


Hinrich [CC BY-SA 2.0 de (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons

Der Flächenverbrauch ist ein zentrales Problem

Konkret geht es um den zunehmenden Ausbau der Biolandwirtschaft. Diese zeichnet sich vor allem durch den Verzicht auf chemische Dünge- und Pflanzenschutzmittel aus. Auf lokaler Ebene hat dies enorm positive Auswirkungen auf den Umwelt- und Artenschutz. Allerdings sinkt dadurch auch der Ertrag. Auf der selben Fläche können also weniger Nahrungsmittel angebaut werden. Mittelfristig könnte dies dazu führen, dass insgesamt mehr landwirtschaftliche Flächen benötigt werden als bisher. Gleichzeitig ist aber gerade die Umwandlung von Naturgebieten in landwirtschaftliche Flächen ein entscheidender Treiber des Klimawandels. Hier könnte nun die Genschere einen Ausweg bieten. Denn sie ermöglicht es, Pflanzenarten zu erschaffen, die gegen bestimmte Schädlinge und Krankheiten resistent sind. Auf diese Weise könnten die Landwirte auch weiterhin auf den Einsatz chemischer Mittel verzichten und trotzdem einen höheren Ertrag erzielen. Die Biolandwirtschaft hätte dann lokal und global positive Auswirkungen.

Gentechnik ist nicht immer gleich Gentechnik

Viele Umweltschützer sind von der Idee dennoch nicht begeistert. Teilweise liegt dies an einer grundsätzlichen Skepsis gegenüber Gentechnik. Die Genschere stellt hier allerdings eine Besonderheit dar. Denn sie beschleunigt lediglich Prozesse, die sonst auch durch konventionelle Kreuzungen erreicht werden könnten. Dennoch hat der Europäische Gerichtshof vor einiger Zeit entschieden, dass auf diese Weise erzeugte Lebensmittel beim Verkauf entsprechend gekennzeichnet werden müssen. Damit aber wird die Nutzung für die Landwirte unattraktiv, weil sie keine Abnehmer finden. In der Vergangenheit wurde die Gentechnik daher vor allem bei Pflanzen zum Einsatz gebracht, die anschließend als Tierfutter genutzt wurden. Dadurch aber wird natürlich kein positiver Effekt für das Klima erzielt. Im Gegenteil: Durch die Tierzucht steigen die Emissionen sogar noch weiter an. Viele Umweltschützer befürchten, dass ähnliche Effekte auch bei der Nutzung der Crispr/Cas-Genschere auftreten könnten.


Via: Topagrar

1 Kommentar

  1. Andro Wegner

    18. Juni 2021 at 08:45

    Das ist eine Milchmädchenrechnung.

    1. Ein großer Teil der Flächen wird derzeit für Energiepflanzen und Viehfutter genutzt. Gleichzeitig bleiben viele organische Abfälle ungenutzt. Hier die Tierhaltung zu reformieren und reduzieren bringt einiges. Auch die konsequente Nutzung von organischen Abfällen zur Energiegewinnung hat erhebliches Potenzial, die benötigten Ackerflächen zu verringern. Das wird verschwiegen.

    2. 30 Prozent der weltweit erzeugten Nahrungsmittel werden weggeworfen und nicht konsumiert. Hier konsequent einzugreifen, reduziert den Bedarf an Ackerflächen ebenfalls. Staatliche Aufkaufprogramme wie unter Roosevelt könnten Bauern die Möglichkeit bieten, Produkte, die sie nicht oder nur zu sehr geringen Preisen verkaufen können, zu garantierten Festpreisen abzugeben. Restaurants und Lebensmittelhandel sollten an die Tafeln und Sharingdienste abgeben, Privatpersonen an Sharingdienste oder Nachbarn.

    3. Das Konzept von Biolandwirtschaft bringt hier nicht wirklich weiter. Biolandbau definiert sich allein über das Weglassen von Chemikalien, vom künstlichen Dünger, über Pestizide, Insektizide, Fungizide bis zu Herbiziden. Anschließend muss man sich dann überlegen, was man stattdessen tut. Das reicht von industrieller Landwirtschaft mit sehr viel mechanischer Bodenbearbeitung bis zu hochkomplexen multicropping settings. Die rein mechanische industrielle Bearbeitung verbessert zwar gegenüber konventioneller Landwirtschaft die Böden, ist aber in der Regel weniger ertragreich. An Permakultur oder agrarökologischen Prinzipien ausgerichtete Formen dagegen erzielen gleich große oder höhere Erträge. Letzteres wurde hier gezielt verschwiegen, um die eigenen Interessen platzieren zu können.

    4. Der Nährstoffgehalt von biologisch angebauten Nahrungsmitteln ist generell höher und macht daher geringere Ernten zum Teil wett. Auch das wird natürlich verschwiegen, weil es nicht in die eigene Argumentation passt.

    5. Die konventionelle Landwirtschaft steigert zwar anfangs die Erträge. Doch auf die Dauer braucht man immer mehr Chemie, um weiter auf dem gleichen Niveau zu bleiben. Die Böden gehen dabei kaputt. Auch das wird verschwiegen, dass hier immer mehr Land für den Ackerbau verloren geht.

    6. Ein großer Teil der industriellen Landwirtschaft weltweit produziert nicht für den heimischen Bedarf sondern für die Biigasanlage, die Schnapsbrennei, oder den Export. Gerade hier geht viel verloren. Und es gibt Phänomene wie die Zerstörung von Märkten und damit das Aus für lokale Subsistenzfarmer, die Produktion von Genussmitteln statt Grundnahrung etc. Es wird oft gar nicht der reale Bedarf gedeckt, sondern nur zusätzliche Wünsche befriedigt.

    7. Laut Studien von UN Organisationen sind kleine Subsistenzfarmer diejenigen, die einen großen Teil der Menschheit ernähren, und zwar überproportional zur Landfläche, die sie bewirtschaften. Leider werden gerade diese Leute zunehmend von ihrem Land vertrieben, weil korrupte Politiker es einfach an ausländische Investoren verkaufen.

    8. Der weiße Elefant im Raum, über den niemand spricht, heißt Agrarökologie. Agrarökologisch bewirtschaftete Felder sind genau so produktiv wie konventionelle, aber mit einem Bruchteil der bisherigen Chemie. Bei multicropping sind die Erträge pro Hektar sogar größer als bei konventionellen Betrieben mit Monokultur.

    Agrarökologische Anbaustrategien funktionieren überall, auf keinen wie auf großen Flächen, auf guten wie auf herunter gekommenen Böden, mit viel Wasser oder wenig Wasser. Dazu braucht man keine genetisch veränderten Pflanzen und nur geringe bis gar keine Chemie. Die Tiere finden ihren Platz auf der Weide. Agrarökologie lässt nicht als erstes die Chemie weg und sucht dann nach Alternativen, sondern bewirtschaftet die Böden als Ökosysteme und ersetzt so Schritt für Schritt schädliche Praktiken durch nützliche.

    All das kommt in der verschrobenen Argumentation für gentechnisch veränderte Pflanzen auf biologisch bewirtschafteten Flächen gar nicht vor. Es wird einfach behauptet, dass man dringend alle Flächen für industrielle Landwirtschaft braucht, dass diese notgedrungen in Zukunft biologisch sein muss und unbedingt sich selbst verteidigende gentechnisch veränderte Pflanzen braucht, um ausreichend ertragreich zu sein. Am Ende der Argumentation steht also, dass man stillschweigend auf die nicht länger tragfähige konventionelle Landwirtschaft verzichtet und sich nun der industriellen Biolandwirtschaft zuwendet. Denn die ist besser für Biodiversität und Böden. Aber sie soll bitte sehr die Erträge von den besten Feldern unter konventionellem Landbau liefern.

    Dummerweise sind weder konventionelle noch mechanisch-industriell betriebene Öko-Landwirtschaft zukunftsfähig. Denn in einer zunehmend trockeneren Welt mit gelegentlichen Starkregen haben sowohl Strategien, die auf viel Chemie als auch diejenigen, die auf viel mechanische Bearbeitung setzen, ein Problem: Sie trocknen die Böden aus! Agrarökologie ist auch hier die angemessene Lösung. Sie reduziert den Wasserbedarf und verbessert die Aufnahmefähigkeit der Böden – auch für Starkregen. Das heißt, zum einen bleiben die Böden feucht, zum anderen nehmen sie Starkregen auf. Statt dass der Regen abläuft und die Böden erodiert, sickert das Wasser nun ein und füllt die Vorräte in Boden und Grundwasser auf.

    Zum Schluss:

    Die Ungeheuerlichkeit, dass man ausgerechnet denjenigen mit gentechnisch veränderten Pflanzen beglücken will, die alle Manipulationen ablehnen, kommt auf leisen Sohlen daher. Aber vielleicht will man ja auch vor allem jene gewinnen, die notgedrungen auf Biolandbau umsteigen, weil der konventionelle Landau aufgegeben werden muss.

    Die zweite Zumutung steht zwischen den Zeilen. Man wagt gar nicht, sie auszusprechen: Damit die Rechnung aufgeht und genetisch manipulierte Pflanzen auf ökologisch bewirtschafteten Flächen wachsen können, darf man das der Mehrheit der Verbraucher gar nicht sagen! Denn die wollen solche Lebensmittel nicht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.