Die vergangenen zwei Jahre haben deutlich gezeigt, wie drastisch die Auswirkungen einer weltweiten Pandemie auf unser tägliches Leben sein können. Einer Studie zufolge wird die Gefahr, dass solche Pandemien auftreten, in den den nächsten zwei Jahrzehnten steigen. Grund hierfür sind der Klimawandel und die Landnutzung, die die Verbreitung von Wildtieren verändern und so Kontakt zwischen bisher isolierten Arten herstellen. So kann es vermehrt zu Artsprüngen von Viren kommen.


Bild: Colin Carlson/GUMC

Zoonosen bergen Gefahr für Menschen

Etwa 70 Prozent aller Infektionskrankheiten, die von Viren verursacht sind, sind Zoonosen, was bedeutet, dass sie ihren Ursprung im Tierreich haben. Die Erreger entwickeln sich in Wildtieren, bevor sie den Artsprung zum Menschen schaffen. Dieser Artsprung kann durch direkten Kontakt oder aber über einen Umweg über Wildtiere gelingen. Die Zahl der Artsprünge und der damit verbundenen Erkrankungen hat sich in den letzten 50 Jahren vervierfacht, da Mensch und Natur immer dichter zusammenrücken und Menschen so auch immer weiter in den Lebensraum von Wildtieren eindringen.

Ein weiterer Faktor, der das Zoonose Risiko beträchtlich erhöht, ist der Klimawandel. Ein Team rund um Colin Carlson von der Georgetown University hat in einer Studie die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Verbreitungsgebiete von 3.870 Säugetierarten sowie die damit verbundene Gefahr von Übertragung von Viren zwischen verschiedenen Arten untersucht.


Die meisten Wildtiere haben nicht viel Gelegenheit, untereinander Viren auszutauschen: Nur sieben Prozent der Säugetierarten teilen einen Lebensraum und sechs Prozent tragen bisher eines oder mehrere gemeinsame Viren in sich. Aber wenn die Verbreitungsgebiete sich verändern, werden neue Interaktionen möglich – und ein Teil dieser Kontakt wird zur Übertragung von Viren auf zuvor nicht verfügbare Wirte führen“ so die Forscher:innen.

Der Klimawandel führt zu mehr Erstkontakten

Das Team hat ein Modell erschaffen, mit dem die Entwicklung bis ins Jahr 2070 hinein modelliert werden kann. Bereits bei einer eher mäßigen Erderwärmung von zwei Grad im Vergleich zum präindustriellen Durchschnitt kann sich derart auf die Verbreitungsgebiete auswirken, dass es zu etwa 300.000 zusätzlichen Erstkontakten zwischen Wildtieren kommen kann. „Im Prinzip entspricht dies einer Verdopplung der potenziellen Artkontakte„, erläutern die Wissenschaftler:innen.

Zwar werden solche zusätzlichen Erstkontakte auf der ganzen Welt vorkommen, aber die Hotspots konzentrieren sich auf das tropische Afrika sowie Südostasien. Dort finden sich artenreiche Regionen, in denen die Arten auf relativ engen Raum in verschiedenen Habitaten und Lebensräumen zusammenleben. So muss sich der Lebensraum einer Art nur geringfügig verschieben, bis diese auf eine Art trifft, von der sie bisher isoliert war.

Diese Dynamik wirkt sich dann auch auf den Austausch von Viren zwischen den Arten aus. „Wir prognostizieren, dass die zusätzlichen Erstkontakte zu mindestens 15.000 Übertragungen von Viren auf eine für diesen Erreger neue Wirtstierart führen werden„, so das Team. In den nächsten Jahrzehnten müsse man deshalb mit mindestens 4500 neuen Artsprüngen rechnen.

Solche Sprünge zwischen verschiedenen Wildtierarten erhöhen auch das Risiko, dass das betreffende Virus in Kontakt mit Menschen kommt. „Die Virenarten, die erfolgreiche Artsprünge im Tierreich absolvieren haben auch die höchste Neigung dazu, neue Zoonosen beim Menschen zu verursachen. Die Wildtier-Artsprünge bilden evolutionäre Trittsteine für die rund 10.000 potenziell zoonotischen Viren, die zurzeit in Säugetieren zirkulieren„, so die Forscher:innen.

Mehr Artensprünge schon bei zwei Grad Erwärmung

Am Beispiel des Zaire-Ebolavirus in Afrika zeigen die Forscher:innen, was dies konkret bedeutet. Derzeit wird dieser Erreger von insgesamt 13 Wildtierarten getragen, darunter vor allem Fledermausarten und Affen. Geht man von einer Erderwärmung von zwei Grad Celsius aus, würden sich die Lebensräume der Arten so verlagern, dass es zu 2600 bis 3500 neuen Erstkontakten kommt. „Diese Erstkontakte wiederum verursachen fast 100 Übertragungen von Viren, darunter auch Ebola„, so die Wissenschaftler:innen.

Die Forscher betonen, dass auch schon eine gemäßigte Störung des Klimasystems bereits Artensprünge potentiell gefährlicher Viren erleichtern kann. Daher müssen die Effekte dieser Artensprünge vermehrt beobachtet werden. „Die Covid-19-Pandemie, SARS, Ebola und Zika zeigen, welche enormen Auswirkungen der Sprung eines Virus vom Tier zum Menschen haben kann. Um solche Übertragungen vorzusagen, müssen wir wissen, was im Tierreich vor sich geht„, so Sam Schreiner von der US National Science Foundation.

via Georgetown University Medical Centre

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