Als Zeitkristalle werden Kristalle bezeichnet, die nicht nur über die typische regelmäßige Gitterstruktur verfügen, sondern ihren Zustand auch in einem festen temporären Rhythmus verändern. Dieses Phänomen können Forscher schon seit einiger Zeit gezielt erzeugen. Bisher allerdings gelang dies nur unter besonderen Bedingungen. So mussten Temperaturen nahe des absoluten Nullpunkts herrschen. Außerdem handelte es sich lediglich um Kristalle mit einer Größe von wenigen Nanometern. Forscher des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart konnten diese beiden Einschränkungen nun überwinden. Ihnen gelang es, bei Raumtemperatur ein Zeitkristall mit einer Größe von mehreren Mikrometern zu erzeugen. Dies wiederum ermöglichte ihnen eine Weltpremiere: Erstmals konnten die Bewegungen eines solchen Zeitkristalls auf Video aufgenommen werden. Darauf aufbauend erhoffen sich die Forscher nun zahlreiche weitere Anwendungsmöglichkeiten.


Bild: Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme

Ein Raster-Röntgenmikroskop sorgte für die gewünschten Bilder

Als Basis diente den Forschern eine flache Kupfer-Antenne, mit einem schmalen Streifen einer magnetischen Eisen-Nickel-Legierung. Anschließend erzeugten die Forscher zunächst ein hochfrequentes Mikrowellenfeld, woraus dann wiederum ein oszillierendes Magnetfeld entstand. Dadurch bildeten sich in dem Legierungsstreifen sogenannte Magnon-Quasiteilchen. Damit hatten die Forscher dann ihr Ziel erreicht. Denn die Magnon-Quasiteilchen kondensierten in ein regelmäßig wiederkehrendes Muster. Oder anders ausgedrückt: Es entstand ein Zeitkristall. Um diesen Effekt dann auch dauerhaft festzuhalten, nutzten die Forscher die Möglichkeiten des Helmholtz Zentrum Berlin. Denn dort befindet sich die Synchrotronanlage Bessy II mit einem integrierten Raster-Röntgenmikroskop. Ein extrem stark fokussierter Röntgenstrahl tastete das Kristall anschließend ab und machte so die zeitlichen Veränderungen sichtbar. Auf dem so entstandenen Video ist zu sehen, dass sich immer wieder streifenförmige Muster ergeben – und anschließend wieder verschwinden.

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Die zusätzliche Dimension eröffnet neue Anwendungsmöglichkeiten

Bei weiteren Experimenten konnten die Forscher dann sogar nachweisen, dass das erzeugte Zeitkristall mit anderen Magnon-Quasiteilchen interagierte. Auch dies konnte erstmals auf Video festgehalten werden. Warum aber haben sich die Forscher überhaupt diese riesige Mühe gemacht? Zunächst einmal ging es ihnen darum, das grundsätzliche Verständnis des Phänomens zu verbessern. Tatsächlich konnte nachgewiesen werden, dass die Raum-Zeit-Kristalle deutlich robuster und häufiger sind als bisher angenommen. Gleichzeitig wurde nun aber auch erstmals eine Größe erreicht, bei der praktische Anwendungsmöglichkeiten entstehen könnten. Denn konventionelle Kristalle finden bereits heute eine vielfältige Verwendung. Wenn nun noch die Zeit-Dimension hinzu kommt, könnte dies beispielsweise in der Kommunikationstechnik, der Radartechnik oder der Bildgebung zu Fortschritten führen. Bis dahin ist allerdings noch einiges an weiterer Forschungsarbeit nötig.

Via: PRL

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