Der Krieg in der Ukraine ist eine humanitäre und geopolitische Katastrophe. Er zeigt aber auch auf, wie gefährlich die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen ist. Aktuell decken Importe aus Russland 45 Prozent des Gasbedarfs in der Europäischen Union ab. Nach Plänen der Europäischen Kommission soll diese Abhängigkeit so schnell wie möglich beendet werden. Dies soll durch mehr Kapazitäten für erneuerbare Energien sowie durch eine Diversifizierung der Gasversorgung erreicht werden.


REPowerEU: Der Weg aus der Abhängigkeit

Der entsprechende Plan wird von der Kommission “REPowerEU” genannt und hat das Ziel, Resilienz gegenüber den russischen Energielieferungen als politischer Hebel zu erreichen. Laut EU-Vizepräsident Frans Timmermanns sei es möglich, die Gasimporte aus Russland bis Ende des Jahres um zwei Drittel zu reduzieren. “Diese Abhängigkeit hat die derzeitige Situation hoher Energiepreise verschärft, die sich weiterhin auf die europäischen Haushalte und Unternehmen auswirkt”, so die Kommission. Die Energiepreise waren bereits vor dem Ukrainekrieg deutlich gestiegen. Spätestens die Drohung Russlands, die Gaslieferungen über Nord Stream 2 zu beenden, zeigte dann deutlich auf, wie problematisch unsere Abhängigkeit von Russland ist. Nach Angaben der EU-Kommission reichen die Gasspeicher innerhalb der Union aus, um den Energiebedarf bis zum Ende der Heizperiode dieses Winters zu decken – das gälte auch dann, wenn Russland die Lieferungen wirklich komplett einstellen sollte.


Diversifizierte Gasversorgung und erneuerbare Energien

Kurzfristig plant die EU, die Gasversorgung zu diversifizieren, indem vermehrt Flüssiggas (LNG) importiert wird. Als Lieferländer kommen die USA, Norwegen, Algerien, Katar und Aserbaidschan in Betracht. In diesem Rahmen soll der derzeitige Anteil am globalen LNG-Markt ausgebaut werden. Derzeit liegt dieser Anteil bei etwa 15 Prozent. Die durchschnittliche Erdgas-Speicherquote soll bis Oktober 2022 mindestens 90 Prozent betragen. Die Erdgasknappheit in den EU-Speichern ist auf einem historischen Höchststand – aktuell beträgt die Speicherauslastung 30 Prozent. In Deutschland sind vor allem Erdgasspeicher betroffen, die von Gazprom betrieben werden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Energiesicherheit sei das Thema Elektrifizierung und erneuerbare Energien. Die EU-Kommission will diesbezüglich verstärkt auf Photovoltaik, Windkraft und Wärmepumpen setzen. So soll ein integriertes EU-Energiesystem entstehen, dessen Fokus auf erneuerbaren Energien und größerer Energieeffizienz liegt. Denn eine sinkende Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ist nicht nur gut für das Klima, sie bedeutet auch eine sinkende Abhängigkeit von Russland. Bis 2030 möchte die EU den Gasverbrauch um 30 Prozent senken.

Alternative Gase

Langfristig soll eine erhöhte Produktion von alternativen Gasen wie etwa Biogas und Wasserstoff forciert werden. 35 Milliarden Kubikmeter Biogas will die EU bis 2030 erzeugen. Außerdem soll ein “Wasserstoff-Beschleuniger” die Einführung von erneuerbarem Wasserstoff schneller herbeiführen. Dieser sieht eine rasche Umsetzung des Gaspakets vom Dezember sowie den Vorrang staatlicher Beihilfen für Wasserstoffprojekte vor. Mit 15 Millionen Tonnen erneuerbaren Wasserstoff könnten bis 2030 25 bis 50 Milliarden Kubikmeter russisches Gas ersetzt werden.

Deutschland verkraftet einen Lieferstopp

In einer Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldine heißt es, dass die deutsche Volkswirtschaft auch einen kurzfristigen Lieferstopp von russischem Gas verkraften würde. Möglich gemacht werden solle dies in so einem Fall dann durch den Import von Flüssiggas und Erdgaseinsparungen. Auch ein vermehrter Einsatz von Kohleverstromung könne die Erdgasnachfrage reduzieren. Außerdem müsste die finanzielle Belastung der BürgerInnen mit niedrigem und mittleren Einkommen abgefedert werden.

In Deutschland beträgt der Anteil von Erdgas am Primärenergieverbrauch mehr als 25 Prozent. Der Hauptverbrauch wird im Rahmen industrieller Prozesse sowie durch Privathaushalte verursacht. Dabei wird aktuell mehr als die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Erdgas aus Russland importiert, der Rest kommt überwiegend aus den Niederlanden und Norwegen.

Ein Stopp der russischen Erdgaslieferungen liegt inzwischen durchaus im Bereich des Möglichen. Um darauf vorbereitet zu sein, will die Bundesregierung kurzfristig auf Flüssiggas setzen. Mittelfristig soll der Ausbau erneuerbarer Energien durch die gesetzlichen Begebenheiten vorangetrieben werden. So sollen erneuerbare Energien etwa künftig im Interesse der öffentlichen Sicherheit liegen und vorrangig behandelt werden.

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