Seismometer werden unter anderem eingesetzt, um Erdbeben sowie ihre Vorzeichen aufzuzeichen. Doch auch ohne Erbebenaktivität zeichnen die Geräte auch menschliche Aktivitäten auf. Aktivitäten wie Straßenverkehr, Züge oder auch Sportveranstaltungen wie Fußballspiele sorgen für ein seismisches Grundrauschen, das von den sensiblen Geräten aufgezeichnet wird. Seit Beginn der Corona-Pandemie ist dieses seismische Grundrauschen so gering wie noch nie.


Bild: Lecocq et al.

Corona-Lockdown minimiert anthropogene Vibrationen

Die Einschränkungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie haben das öffentlich und wirtschaftliche Leben in vielen Ländern drastisch eingeschränkt. Bereits im März gaben einige Seismologen erste Hinweise darauf, dass in diesem Rahmen auch die anthropogenen Erschütterungen nachlassen.

Eine globale Studie, durchgeführt von einem internationalen Team rund um Thomas Lecocq vom Königlich Belgischen Observatorium in Brüssel, zeigt nun, in welchem Ausmaß die Erde durch die erfolgten Lockdowns stiller geworden ist. Dafür werteten die Forscher Daten von 268 seismischen Stationen in insgesamt 17 Ländern aus. Die Daten stammten sowohl aus Großstädten als auch aus entlegenen Regionen. Sogar einige mehrere Hundert Meter unter der Erde liegenden Tiefenobservatorien steuerten Daten bei.


Das Ergebnis ist klar: „ Wir haben eine nahezu globale Reduktion des seismischen Rauschens festgestellt„, so das Team. Die menschengemachten Erschütterungen sanken teilweise auf 50 Prozent ihres Nomalwerts ab. Eine derartige seismische Stille ist nicht mal an Weihnachten oder zu Neujahr messbar, hielt nun aber über Monate hinweg an. „ Die seismische Stille-Periode des Jahres 2020 ist die längste und ausgeprägteste Verringerung des globalen anthropogenen Störrauschens, die jemals gemessen wurde“ so die Forscher.

Selbst in der Tiefe ist es stiller

Sehr deutlich zeichneten sich die Effekte des Lockdowns bei Messstationen in Ballungsräumen wie den großen Städten in Asien oder New York City ab. Aber auch die Messstationen, die in entlegenen ländlichen Gebieten etwa in Namibia lokalisiert sind, verzeichneten ein Absinken der anthropogenen Vibrationen um mehr als 25 Prozent.

Selbst in den Daten der Tiefenobservatorien waren die Effekte nachweisbar. So hat das seismische Observatorium im Schwarzwald etwa Seismometer, die 150 bis 170 Meter unter der Erdoberfläche eingelassen sind. „ Sogar dort fanden wir eine leichte Verringerung des hochfrequenten anthropogenen Rauschens wie am ersten Weihnachtstag„, berichtete das Team. In Neuseeland gibt es eine Messstation, die 380 Meter unter der Erde liegt. Dort registrierten die Sensoren einen Rückgang des seismischen Grundrauschens um den Faktor zwei.

Wissenschaftlicher Gewinn für die Seismologie

Die Daten machen den Verlauf der Pandemie auch geografisch nachvollziehbar. „ Die Reduktion des Rauschens begann Ende Januar 2020 in China, dann folgten im März und April erst Europa und dann der Rest der Welt„, so die Forscher. Auch die Orte, an denen der Lockdown besonders starke Einschnitte erforderte, sind nachvollziehbar. Das Störrauschen auf der beliebten Ferieninsel Barbados sank durch den Rückgang des Tourismus um 50 Prozent unter die Vergleichswerte aus den Vorjahren. Auch europäische Skiorte wie etwa die Zugspitze zeigten einen ähnlichen Effekt.

Die Arbeit der Forscher bringt auch neue Effekte zum anthropogenen Grundrauschen in der Seismologie. „ Man hielt das anthropogene Störrauschen für von Quellen in weniger als einem Kilometer Entfernung dominiert„, heißt es von den Forschern. Die Messungen während der Pandemie zeigen, dass die Erschütterungen auch von deutlich weiter entfernten Quellen stammen können.

Und noch einen Effekt hat das niedrige Grundrauschen: „ Das niedrige Rauschniveau während der Corona-Lockdowns macht es möglich, Signale von neuen Quellen zu detektieren – auch dort wo die seismischen Kataloge sonst unvollständig sind„, so Lecocq und sein Team. Der Lockdown-Effekt war für die Seismologie somit durchaus ein wissenschaftlicher Gewinn.

via Imperial College London

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