Ein Jahrzehnt nach einem internen Hackathon hat Google ein System entwickelt, das durch Milliarden Android‑Smartphones weltweit ein Frühwarnnetz gegen Erdbeben bildet. Die Technologie kann Leben retten – und liefert neue Einblicke in die globale seismische Sicherheit.


Wie Android den Beben auf die Spur kommt

Seit 2020 nutzt Google die eingebauten Beschleunigungssensoren von Android-Telefonen, um seismische Aktivität zu erkennen. Wenn ein stationäres Gerät das schnelle P-Wellen-Signal eines Erdbebens wahrnimmt, sendet es anonymisierte Daten an Googles Server, inklusive einer groben Standortangabe. Dort werden Signale aus Hunderten oder Tausenden Geräten analysiert, um festzustellen, ob ein Erdbeben stattfindet und ob Warnmeldungen ausgelöst werden sollen.


Zwischen 2021 und 2024 haben mehr als zwei Milliarden Android-Geräte in rund 98 Ländern das sogenannte Android Earthquake Alerts (AEA)-System unterstützt. In diesem Zeitraum wurden über 11.000 Beben registriert und mehr als 1.200 Warnungen versendet. Der Nutzerkreis stieg von 250 Millionen im Jahr 2019 auf etwa 2,5 Milliarden im Jahr 2024 – ein enormes Wachstum der Abdeckung.

Stärken und Grenzen der Smartphone‑Warnungen

Die Effizienz des Systems entspricht laut aktueller Studie nahezu der von klassischen seismologischen Netzwerken. Von den Nutzer:innen, die eine Warnung erhielten, bestätigten 85 %, das Beben wahrgenommen zu haben, und 36 % berichteten, die Meldung habe sie vor dem tatsächlichen Beginn der Erschütterungen erreicht. Falsch-positive Warnungen waren äußerst selten – lediglich drei Stück über drei Jahre hinweg.

Ein wichtiger Schwachpunkt trat jedoch beim schweren Erdbeben in der Türkei im Februar 2023 zutage. Google räumte später ein, dass nur 469 hochstufige „Take Action“-Meldungen versandt wurden, obwohl rund zehn Millionen Menschen im betroffenen Gebiet erreicht werden konnten – stattdessen erhielten etwa 500.000 Nutzer:innen nur „Be Aware“-Hinweise, die nicht aus Do‑Not‑Disturb-Modi herausbrechen konnten. Die Magnitudenschätzung war deutlich zu niedrig angesetzt, was zu Unterwarnungen führte. Google erklärte, die Algorithmen seitdem verbessert und insbesondere die Genauigkeit bei größeren Ereignissen deutlich erhöht zu haben.

Google-System soll bestehende Systeme ergänzen

Das System ergänzt bestehende staatliche Frühwarnnetzwerke, ersetzt sie aber nicht. In den USA zum Beispiel wird AEA teilweise durch das ShakeAlert-System des USGS unterstützt. In Gebieten ohne solche Infrastrukturen bietet die Smartphone-basierte Lösung jedoch einen kostengünstigen, global skalierbaren Ansatz.

Die Technologie entstand aus dem Bedürfnis, Warnsysteme auch für Regionen zu schaffen, die sich keine seismischen Messstationen leisten können. Der Umstieg von lokal begrenzter Infrastruktur hin zur milliardenschweren Gerätebasis zeigt einen Paradigmenwechsel in der Risikotechnologie.

Auch wenn die Idee simpel klingt – Telefone als Mini-Seismometer –, ist die Umsetzung komplex. Unterschiedliche Hardware, regionale Unterschiede in Aufbau und Geologie sowie Netzunterbrechungen können die Leistung beeinflussen. Dennoch konnten Nutzer:innen in einigen Fällen bis zu eine Minute vor dem stärkeren seismischen Signal gewarnt werden – mitunter genug Zeit, sich in Sicherheit zu bringen.

Die aktuellen Erkenntnisse betonen auch den Nutzen in der Forschung: Die gesammelten Daten liefern wichtige Hinweise zur seismischen Aktivität in Regionen, wo sonst kaum Messmöglichkeiten bestehen. Sie helfen, Modelle zu verbessern und die globale Frühwarnarchitektur kontinuierlich weiterzuentwickeln. Nutzer:innen, Behörden und Tech-Firmen müssen Hand in Hand arbeiten, um im Ernstfall zuverlässige Hilfe zu bieten. Die Technologie wird konstant weiter verbessert – mit dem Ziel, möglichst wenige Fehlalarme, aber maximale Warnwirkung bei tatsächlichen Beben zu erreichen.

 

via Google

 

 

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