Die künstliche Intelligenz dringt allmählich in viele Bereiche unseres Lebens ein. Nun gibt es erste Chatbots, die psychische Leiden mindern sollen. Tauschen wir demnächst den menschlichen Psychotherapeuten gegen einen Algorithmus?


Therapie mal anders – auf digitalem Weg

Warteschlangen beim Therapeuten sind lang

Etwa 20 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einer mehr oder weniger schweren psychischen Erkrankung. Sie alle benötigen eine Therapie, doch gibt es nicht genügend Therapeuten, die zeitnah Termine freihaben. So entstehen Wartezeiten bis zu einem Jahr, manchmal aber auch länger. Jetzt wollen immer mehr Chatbots die Lücken füllen: Apps zur Unterstützung der mentalen Gesundheit mehren sich, und viele Anwender greifen tatsächlich darauf zurück. Kann die künstliche Intelligenz hier wirklich helfen? Und wenn es so weitergeht: Sitzen wir demnächst beim Algorithmus statt beim menschlichen Therapeuten auf der Couch?

Chatbot Mina soll bald leichte Depressionen behandeln

Thoughtcoach ist so eine KI, die Menschen in depressiven Phasen helfen soll. Wer ihr per Klick seine traurigen Gedanken mitteilt, erhält dasselbe in positiver Formulierung zurück. Mina soll sogar ein echter Therapie-Bot werden, er befindet sich derzeit noch in seiner Testphase. Tiefgreifende Probleme packt er allerdings jetzt noch nicht an, er richtet sich vor allem an Studenten, die mit Prüfungsängsten zu kämpfen haben. Im späteren Verlauf soll jedoch die Behandlung leichter Depressionen und anderer mentaler Erkrankungen folgen.


Gesprächstherapie mit dem Therapeuten per App

Tobias Renner, Chef der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Tübingen sieht durchaus Chancen in den virtuellen Angeboten. Beispielsweise existiert in Großbritannien ein Chat-System, das eine digitale Gesprächstherapie mit einem menschlichen Therapeuten ermöglicht. Laut einer Studie entfaltet diese eine ähnliche Wirksamkeit wie eine Präsenz-Therapie, kostet aber weniger Zeit und auch weniger Geld. Wartezeiten und Behandlungszeiträume verkürzen sich, außerdem sind die Therapeuten auf diese Weise flexibler verfügbar.

Eine reine Algorithmus-Therapie birgt hingegen uneinschätzbare Risiken. Die Bots können keine echte Empathie aufbringen, sie führen Gespräche auf reiner Funktionsebene, analysieren Textbausteine und berechnen Wahrscheinlichkeiten. Dabei kann der Griff auch mal danebengehen: So riet ein Chatbot bereits einem suizidalen Patienten, sich das Leben zu nehmen.

Andererseits kann die KI nach genügend Training Emotionen aus Textnachrichten lesen und möglicherweise Warnhinweise geben. In Online-Selbsthilfegruppen könnten Algorithmen die eingegebenen Antworten analysieren und so überarbeiten, dass sie für den Empfänger wohlwollender klingen. Eine Heilung psychischer Leiden durch eine künstliche Intelligenz ist aber bei weitem nicht in Sicht.

Quelle: tagesschau.de

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