Die CRISPR-Genschere gilt als möglicher Therapie- oder gar Heilungsansatz für diverse Krankheiten. Die erste CRISPR-Therapie, bei der diese Genschere direkt im Körper wirkt und einfach über den Kreislauf im Rahmen einer Injektion eingebracht werden kann, scheint nun langfristig erfolgreich zu sein. Dabei handelt es sich um eine Therapie gegen Transthyretin-Amyloidose (TTR), die von Wissenschaftler:innen der University of London und des Pharmaunternehmens Intellia Therapeutics und Regeneron Pharmaceuticals entwickelt wurde. TTR ist eine lebensbedrohliche, aber relativ seltene Krankheit, die durch einen genetischen Defekt am Transthyretin-Gen ausgelöst wird.


Mit CRISPR gegen eine tödliche Krankheit

Mit der Genschere CRISPR/Cas9 können effektiv Gene manipuliert werden. Dies in einem Labor unter kontrollierten Bedingungen zu tun, ist das eine. Das andere ist, die Genschere direkt im Körper von Patient:innen zu nutzen. Die aktuell vorhandenen Therapieansätze mit CRISPR erfordern den Einsatz der Genschere im Labor. Das von der Nobelpreisträgerin Emanuelle Charpentier gegründete Biotech-Unternehmen CRISPR Therapeutics konnte vor zwei Jahren etwa vermelden, die Blutkrankheiten Sichelzellenanämie sowie Beta Thalassämie mit der Genschere erfolgreich behandeln zu können. Allerdings mussten den Patient:innen für die Behandlung Blutstammzellen entnommen werden, die dann im Labor genetisch verändert und den erkrankten Personen im Anschluss wieder eingesetzt wurde.


Die Krankheit TTR basiert auf einem Gendefekt am Transthyretin-Gen. Transthyretin ist ein Protein, das vor allem in der Leber gebildet wird und Vitamin A und Schilddrünsenhormone transportiert. Wenn das entsprechende Gen defekt ist, findet kein Vitamin-A-Transport über das Protein statt. Stattdessen bilden sich lange Eiweißfäden, die Amyloide genannt werden. Abhängig davon, wo sich diese Fäden ansammeln, kommt es zu unterschiedlichen Symptomen. Häufig sind das Herz oder das Nervengewebe betroffen.

Klinische Studie seit einem Jahr

Die Therapie der Wissenschaftler:innen ist bereits seit einem Jahr in der klinischen Erprobung und behandelt die Nerven-Variante der TTR. Das Team rund um Julian Gillmore wollen das Gen so zerstören, dass das Protein sich gar nicht mehr bildet und somit auch keine Eiweißfäden mehr entstehen können. Das Protein selber ist nicht lebensnotwendig, weshalb die Forscher:innen Grund zu der Annahme hatten, dass sie mit ihrer Gentherapie den Betroffenen zu einem beschwerdefreien Leben verhelfen können.

Im Kern funktioniert die Therapie nach einem ähnlichen Prinzip wie die mRNA-Impfstoffe, die gegen Covid-19 entwickelt wurden. Zwei Sorten RNA werden in Lipid-Nanopartikel eingeschlossen: Eine „single guide RNA“ (sgRNA), deren Aufgabe es ist, DNA-Sequenzen des TTR-Gens zu erkennen, sowie eine mRNA, die den Code für Cas9 beinhaltet. Die Partikel werden in Leberzellen aufgenommen, wo die Cas-9-mRNA aktiv wird und in der Zelle das Cas-Protein bauen lässt. Dieses verbindet sich dann mit der TTR-sgRNA und wandert dann in den Zellkern. Dort beginnt der Schneideprozess des Cas9-Enzyms, in dessen Rahmen das TTR-Gen aus dem genetischen Code der Zelle herausgeschnitten wird. So kann in der Zelle kein TTR mehr synthetisiert werden.

Ergebnisse sind vielversprechend

Ein Jahr nach der ersten klinischen Behandlung scheint sich die Therapie bewährt zu haben. Das Medikament mit dem Arbeitsnamen NTLA-2001 hat das Gen bei der Probanden-Gruppe, die mit einer hohen Dosis behandelt wurden, nahezu vollständig ausgeschaltet, was in einem Rückgang der Bildung der toxischen Amyloide um 93 Prozent resultierte. Bei insgesamt 15 Studienteilnehmer:innen ist dieser Effekt seit Beginn der Behandlung stabil.

Ein Unsicherheitsfaktor war die Frage, wie die Leber auf die Genschere reagieren würde. Denkbar wäre eine Regeneration gewesen, wo die Zellen ohne TTR-Gen durch junge Zellen mit dem Gen ersetzt worden wären. Inzwischen stehen die Chancen allerdings gut, dass dieser Effekt nicht eintritt und die Behandelten so langfristig von der Therapie profitieren können. Die Nebenwirkungen sind bisher überschaubar. Zu ihnen gehören Kopfschmerzen, Hautausschlag und Rückenschmerzen.

Fraglich ist allerdings noch, ob mit Senkung des Amyloid-Pegels auch die Symptome zurückgehen. Anlass zur Hoffnung gibt die Tatsache, dass Menschen, die mit medikamentöser Behandlung ihren TTR-Spiegel um 80 Prozent senken können, in der Regel eine Rückentwicklung der Krankheitssymptome erleben. Die kommenden Monate sollen zeigen, ob dieser Effekt bei der Gentherapie auch beobachtet werden kann.

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