Kuhmilch wird nicht nur direkt getrunken, sondern dient auch als Basis für zahlreiche andere Nahrungsmittel wie Käse oder Sahne. Weltweit wurden daher im Jahr 2021 rund 871 Milliarden Dollar mit Milch und Milchprodukten umgesetzt. Völlig unproblematisch ist dies nicht. So rückten zuletzt neben Fragen des Tierschutzes auch die Klimaemissionen immer stärker in den öffentlichen Fokus. Der Hintergrund: Kühe rülpsen im Schnitt alle 45 Sekunden und stoßen währenddessen klimaschädliches Methan aus. Alles in allem ist die Milchindustrie so global für 3,4 Prozent der Klimaemissionen verantwortlich. Ein bemerkenswert hoher Wert. Zur Einordnung: Die Luft- und Schifffahrtsindustrie verursacht jeweils deutlich weniger CO2-Emissionen. Schon seit einiger Zeit wird daher an Lösungen gearbeitet, um die CO2-Bilanz der Kuhhaltung zu verbessern. Denkbar ist etwa der Einsatz von speziellem Tierfutter oder die Nutzung von speziellen Masken. Inzwischen ist die Forschung aber sogar noch einen Schritt weiter: Theoretisch kann bei der Produktion von Milch zukünftig ganz auf die Haltung von Kühen im Stall verzichtet werden.


Die entscheidenden Gensequenzen werden bei Hefen implementiert

Wie bei so vielen Innovationen in diesem Bereich wurde auch dies durch die Entwicklung der Crispr-Genschere ermöglicht. Denn diese versetzt die Forscher in die Lage, Gene aus Tieren oder Pflanzen gezielt in Mikroorganismen zu implementieren. Dies wiederum ist die Voraussetzung für die neu entwickelte Technik namens Präzisionsfermentation. Hierbei werden die Gensequenzen, die bei Kühen für die Produktion von Milchproteinen verantwortlich sind, gezielt ausgeschnitten und in bestimmte Hefen eingefügt. Anschließend werden dann keine Tiere mehr gefüttert, sondern die Mikroorganismen werden mit Stickstoff und Kohlenstoff versorgt. Zukünftig wäre hier sogar denkbar, Methanol als Kohlenstoffquelle zu verwenden. Dieser wiederum könnte aus klimaschädlichem CO2 gewonnen werden. Die Milch aus dem Bioreaktor hätte dann sogar einen doppelt positiven Klimaeffekt. Zum einen würden die tierischen Emissionen weitgehend vermieden. Zum anderen könnte sogar CO2 aus der Luft gebunden werden. Hinzu kommen weitere Vorteile: So wird deutlich weniger Wasser und Platz benötigt.


Die Zulassung in der Europäischen Union ist kompliziert

Außerdem kann auf den Einsatz von Antibiotika verzichtet werden. Unerwünschte Nebenprodukte wie Cholesterin und Laktose lassen sich zudem gezielt vermeiden. In den Vereinigten Staaten haben Startups bereits erste entsprechende Käsesorten in den Supermarktregalen platziert. Selbiges gilt für einige asiatische Länder. Die Zulassung in der Europäischen Union hingegen ist deutlich komplexer. Hierzulande ist daher frühestens in zwei bis drei Jahren mit ersten kommerziellen Produkten zu rechnen. Erschwert wird die Vermarktung zudem durch strenge Vorgaben: Weil mit gentechnisch veränderten Organismen gearbeitet wird, dürfte eine entsprechende Kennzeichnung vorgeschrieben werden, auch wenn das Produkt selbst zumeist nicht genetisch verändert wurde. Dies sorgt traditionell aber für eine gewisse Zurückhaltung bei potenziellen Käufern. Der Preis wiederum könnte Skeptiker durchaus überzeugen: Experten gehen davon aus, dass sich Milch im Bioreaktor im industriellen Maßstab rund fünfzig Prozent preiswerter herstellen lässt als in der freien Natur.

Via: Handelsblatt

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