Unser Immunsystem ist lebensnotwendig. Es verteidigt unseren Körper gegen die Einflüsse von Bakterien, Viren und anderen Fremdkörpern, die von außen eindringen. Aber es kann unserem Körper auch schaden. Das Immunsystem ist etwa maßgeblich an Krankheiten wie Gicht, Rheuma, entzündlichen Darmerkrankungen oder kreisrundem Haarausfall beteiligt. Forscher:innen konnten nun zeigen, dass maßgeschneiderte Antikörper-Fragmente dabei helfen können, diese Erkrankungen und generell chronische Entzündungen zu behandeln.


Wenn infizierte Zellen (lila) platzen, setzen sie ASC-Specks (hellblau) frei. Die in der Studie eingesetzten Nanobodies (gelb) sorgen für den Abbau der Specks – die Entzündung geht zurück. Bild: AG Franklin/ Universität Bonn

ASC-Komplexe und Autoimmunerkrankungen

Krankheiten, bei denen das Immunsystem fälschlicherweise eigenes Gewebe mit Antikörpern oder speziellen Boten- und Eiweißstoffen der angeborenen Abwehr angreift, werden als Autoimmunkrankheiten bezeiechnet. An diesen sind große Proteinkomplexe namens ASC-Specks in tragender Rolle beteiligt.

Diese ASC-Komplexe dienen für gewöhnlich der Bekämpfung von Erregern sowie dem Abtöten infizierter Zellen. Sie treten allerdings auch bei chronischen Entzündungen auf, zerstören Zellmembrane und sorgen für die Ausschüttung großer Mengen von Entzündungsbotenstoffen. Seniorautor Bernardo Franklin vom Universitätsklinikum Bonn erklärt dies wie folgt: „Irgendwann explodiert sie geradezu und entleert ihren kompletten Inhalt ins Gewebe. Das Immunsystem wird dadurch zu einer starken Entzündungsreaktion veranlasst.


Den Verdacht, dass die ASC-Komplexe auch bei Autoimmunerkrankungen eine wichtige Rolle spielen, gibt es schon eine Weile. Es wird vermutet, dass die ASC-Specks sogar an Alzheimer beteiligt sind. ASC im Gehirn fördert die Bildung der Amyloid-Beta-Plaques und kann so zum Entstehen von Entzündungen im Gehirn beitragen. „Es gibt daher großes Interesse daran, die extrazelluläre entzündungsfördernde Aktivität der ASC-Specks zu verhindern„, so die Forscher:innen.

Nanobodies stören extrazelluläre ASC-Komplexe

Das Team konnte nun einen neuen Ansatz zur Verhinderung der Bildung der ASC-Komplexe an Mäusen und menschlichen Zellkulturen testen. Dabei kamen sogenannte Nanobodies zum Einsatz, also Antikörperfragmente, die an Teile der ASC-Komplexe binden können. Diese Nanobodies können aufgrund ihrer kleinen Größe auch schwer zugängliche Stellen der ASC-Moleküle erreichen. Sie lassen sich außerdem einfacher herstellen als normale Antikörper.

In Vorversuchen mit normalen Antikörpern konnten die Forscher:innen außerdem zeigen, dass diese zwar teilweise gegen die ASC-Komplexe wirkten, aber auch selber unerwünschte Immunreaktionen auslösen. Bei den Versuchen mit Nanobodies war dies nicht der Fall.

Nanobodies schränken Entzündungsreaktionen ein

In Experimenten testeten die Wissenschaftler:innen die Antikörperfragmente an Mäusen, die unter Symptomen von Rheuma und Gicht litten.

Nach Gabe der Nanobodies verbesserte sich die Entzündung und auch der Gesundheitszustand der Nager erheblich„, fasst Erstautor Damien Bertheloot vom Universitätsklinikum Bonn die Ergebnisse zusammen. Bereits nach einigen Stunden gingen die Symptome der Entzündungen zurück, was die Tiere weitestgehend symptomfrei hinterließ. Außerdem ging die Konzentration von Abwehrzellen und entzündungsfördernden Botenstoffen im Gewebe zurück.

Die Forscher:innen konnten in Versuchen mit Zellkulturen außerdem beobachten, dass die Nanobodies die Bildung und Vermehrung extrazellulärer ASC-Komplexe verhinderten. Ähnlich wie auch Prionen oder fehlgeleitete Amyloidproteine können diese Komplexe ASC-Proteine dazu bringen, sich ebenfalls zu verklumpen. So kommt es zu einer Vermehrung der ASC-Komplexe, die allerdings durch den Einsatz der Nanobodies verhindert werden konnte. Gleichzeitig bleibt die erwünschte Funktion der innerzellulären ASC-Moleküle erhalten.

Wirkung auch bei Alzheimer?

Das Team sieht in seinen Ergebnissen und den Nanobodies das Potential, chronische Entzündungen zu bekämpfen. In weiteren Forschungsschritten wollen sie nun untersuchen, ob diese Nanobodies auch gegen ASC-Specks im Gehirn wirken und so die alzheimertypische Bildung der Amyloid-Plaques einschränken können. „Vielleicht ist es möglich, diesen Vorgang mithilfe unserer Nanobodies zu verlangsamen„, so Franklin.

via Universität Bonn

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