Manchmal ist bei Erfindungen das richtige Timing mindestens so wichtig wie ein technisch einwandfreies Produkt. Diese Erfahrung macht aktuell ein belgisches Forschungsteam rund um Tom Bosserez. Denn die Wissenschaftler forschen an der Katholischen Universität Leuven schon seit zehn Jahren an einem speziellen Produkt: Einem Solarmodul, bei dem als Endprodukt nicht Ökostrom, sondern grüner Wasserstoff zur Verfügung steht. Lange Zeit interessierte sich die Öffentlichkeit nur wenig für die Forschungsarbeit. Denn Wasserstoff schien zwar perspektivisch interessant, um fossile Brennstoffe in industriellen Prozessen zu ersetzen. Doch gleichzeitig schien auch ausreichend billiges Erdgas zur Verfügung zu stehen. Doch dann kam es zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine und der daraus folgenden Gasknappheit. Dies beschleunigte zum einen die Energiewende und rückte zum anderen den Wasserstoff als potenziellen Erdgas-Ersatz in den Fokus. Da trifft es sich gut, dass die Forscher inzwischen tatsächlich ein fast fertiges Produkt im Angebot haben.


Bild: Solhyd

Das benötigte Wasser wird direkt aus der Luft gewonnen

Sie haben daher ihre Universitätskarrieren beendet und stattdessen ein Spin-Off namens Solhyd gegründet. In diesem Rahmen präsentierten sie dann auch erstmals ihr neuartiges Solarmodul der Öffentlichkeit. Genau genommen handelt es sich sogar um eine vollständige kleine Wasserstofffabrik. Die Oberseite kommt aber erst einmal recht gewöhnlich daher: Es handelt sich um eine klassische Photovoltaikzelle, die für den nötigen Stromnachschub sorgt. Um nun Wasserstoff zu produzieren, wird zunächst einmal Wasser benötigt. Bei klassischen Elektrolyseuren wird daher zwingend ein Wasseranschluss benötigt. Gerade in sehr trockenen Regionen eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. Die belgischen Forscher entschieden sich daher für einen anderen Weg: Hier wird das Wasser direkt aus der Luft gewonnen. Diese wird daher mithilfe von drei Ventilatoren ins Innere der Konstruktion gesogen, wo sie durch eine mit einem hygroskopischen Material versehene Röhre strömt. Dadurch sammeln sich im Inneren der Röhre die gewünschten Wassermoleküle an. Eine externe Zufuhr wird nicht benötigt.

Im Labor konnte bereits ein Rekordwert erreicht werden

Das so gewonnene Wasser wird dann mithilfe des Solarstroms und verschiedener Katalysatoren in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Letzterer entweicht in die Atmosphäre, während der Wasserstoff in einem Tank gesammelt werden kann. Theoretisch bringt dieser Ansatz zwei große Vorteile mit sich. So ist das System zum einen komplett autark und lässt sich beinahe beliebig skalieren, indem man immer mehr der Module miteinander kombiniert. Zum anderen versprechen die Gründer, dass keine exotischen Materialien als Katalysatoren verwendet werden. Prinzipiell sollten sich die neuartigen Solarmodule also vergleichsweise preiswert produzieren lassen. Im Labor funktionierte der Ansatz übrigens schon vor acht Jahren hervorragend: Damals stellten die Forscher mit der solaren Wasserstoffproduktion mit einem Wirkungsgrad von 15 Prozent einen neuen Weltrekord auf. Dieser Wert dürfte sich bei einer industriellen Umsetzung zwar nicht erreichen lassen. Die Beteiligten streben aber immerhin einen Wert von mehr als zehn Prozent an, was vergleichbar wäre mit klassischen Elektrolyseuren.


Via: Wiwo

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